PhDr. Anna Mikulová
Ústav germanistiky, nordistiky
a nederlandistiky
Filozofická fakulta Masarykovy univerzity
(Anhand von Materialien aus dem Bereich
des Bank- und Versicherungswesens)
Expresivita
ve vìcných textech
(Na
základì materiálù z oboru bankovnictví a pojišovnictví)
Schlüsselwörter:
Sachtext, Expressivität, Sprachfunktion,
Affekt, Kodierung, Prospekte, Textstruktur, lexikalisierte Metapher,
Parallelismus.
Klíèová slova: vìcný text,
expresivita, funkce jazyka, afekt, kódování, struktura textu, prospekty,
lexikalizovaná metafora, paralelismus.
Annotation: In diesem Artikel wird die Analyse der expressiven
Mittel in den Sachtexten erörtert. Zunächst wird das Wesen der Sachtexte theoretisch
behandelt, wobei vor allem auf ihre Funktion Wert gelegt ist. Vom Bühlerschen
Organon-Modell der Sprache ausgehend, wird die Problematik der Sprachfunktionen
in den Texten, die den Korpus für die Analyse ausmachen diskutiert. Ein
Versuch, die Expressivität der Sprache unter Einbeziehung der psychologischen
Momente und im Hinblick auf die
Kodierung der Affekte in die Sprache, bzw. ihrer Dekodierung durch Adressaten
der analysierten Texte festzulegen, wird zum Ausgangspunkt der eingehenden
Analyse der einzelnen Belege. Es wurden einerseits längere Texte im Prospekt
der Hypovereinsbank analysiert, anderseits, kürzere Texte aus Werbematerialien
der deutschen und tschechischen Banken, bzw. Versicherungsanstalten. Aus
komparatistischen Gründen wurde auch ein tschechisch geschriebener Artikel aus
dem Magazin der Bausparkasse „Èesko-moravská stavební spoøitelna“ exzerpiert. Die Belege im Tschechischen sind jeweils mit
deutschen Übersetzungen von der Autorin dieses Artikels versehen. Die konkreten
expressiven Mittel werden je nach den einzelnen Sprachebenen klassifiziert;
gesondert werden die expressiven Momente in der Textgestaltung, die
metaphorischen und rhetorischen Mittel, sowie der deutliche
Adressatenbezug des entsprechenden
Beleges eingestuft. Zum Schluss werden die einzelnen Daten kurz statistisch
ausgewertet.
Anotace: Èlánek analyzuje expresivní
prostøedky ve vìcných textech. Nejprve se v nìm teoreticky pojednává o
podstatì vìcných textù, pøièemž je kladen dùraz na jejich funkci. Autorka
vychází z modelu jazykových funkcí Karla Bühlera a zabývá se problematikou
funkce jazyka v textech, jež tvoøí korpus vlastního materiálového výzkumu.
Východiskem podrobné analýzy jednotlivých dokladù je pokus, vytyèit pojem
expresivity v jazyce na základì psychologických momentù a s ohledem
na kódování afektù v jazyce, resp. jejich dekódování adresátem zkoumaných
textù.
Analyzovány
byly jednak delší texty z obsáhlejšího prospektu Hypovereinsbank, jednak
kratší texty z reklamních materiálù nìmeckých a èeských bank, resp.
pojišoven. Z komparatistických dùvodù
byl rovnìž excerpován jeden èlánek z magazínu Èesko-moravské
stavební spoøitelny. Doklady v èeštinì jsou vždy opatøeny nìmeckými
pøeklady od autorky tohoto èlánku. Konkrétní expresivní prostøedky jsou
klasifikovány podle jednotlivých jazykových rovin, oddìlenì jsou zaøazovány
expresivní momenty ve výstavbì textu, metaforické a rétorické prostøedky, a
koneènì jasnì manifestovaný apel na adresáta v pøíslušném dokladu. Na
závìr jsou získaná data struènì statisticky vyhodnocena.
Was das Wesen der Sachtexte ausmacht? In
der einschlägigen Fachliteratur wird in der Regel zwischen den narrativen und deskriptiven Textformen
unterschieden (vgl. Franz, 1997, 121 f.)[1]
Die Sachtexte, welche unseren Korpus darstellen, -
ihre genauere Bestimmung vgl.
unten - gehören eindeutig zu dem
deskriptiven Typ. Wobei für die narrativen die Tempusstruktur von Belang sei,
für die anderen sind die temporalen Verhältnisse nicht ausschlaggebend. Was die
Rolle des Tempus bei den narrativen und nicht-narrativen Texten angeht, kann es
auch davon ausgegangen werden, dass für die narrativen Texte die
Vergangenheitstempora (vor allem das Präteritum) typisch sind, während für die
nicht-narrativen das Präsens, das wir als das „merkmallose“ Tempus auffassen
dürften; dies hängt mit der „atemporalen“ Struktur dieser
Texte zusammen. WERLICH unterscheidet weiter die nicht-narrativen Texte je nach
dem, was für den Sprecher als für den jeweiligen Typ als konstitutiv anzusehen
ist: neben der Narration, wo – wie schon bemerkt worden war, Geschehen in der
Zeit am wichtigsten sei, liegen bei der Deskription
Erscheinungen im Raum im Zentrum der Aufmerksamkeit, im Falle der Exposition kommt es auf die Komposition
bzw., Dekomposition von begrifflichen Vorstellungen an, bei der Argumentation haben wir es mit der
Relationen zwischen begrifflichen Vorstellungen der Sprecher zu tun und
schließlich bei der Instruktion wird
das Augenmerk auf das zukünftige Verhalten des Hörers gerichtet (vgl. WERLICH,
121, 1971). In unseren eigenen Texten kommen alle genannten Typen vor, jedoch
eine gewisse „Mischung“ aus der Argumentation und Instruktion ist wohl am
häufigsten.
Nach dieser völlig allgemeinen Charakteristik
dürften die Texte, welche unseren Korpus ausmachen, näher festgelegt werden: es
handelt sich um Texte aus dem Bereich des Bank- und Versicherungswesens, es
geht uns jedoch nicht um die Analyse der „wissenschaftlichen“ Fachtexte aus den
genannten Bereichen, sondern um die für die Öffentlichkeit bestimmten
Textmaterialien, die entweder Informations- oder Werbungscharakter haben. Wir
haben also vor, einerseits verschiedenste Prospekte und anderseits die den
umfangreicheren Textsammlungen – z.B. den
„Magazinen“ der Banken und Versicherungsanstalten entnommenen Texte zu
analysieren; diese zwei Typen unterscheiden sich erstens in der Länge (die in
den Prospekten enthaltenen Texte haben manchmal stichwortartigen Charakter,
wobei die in den Magazinen enthaltenen, was ihren Umfang betrifft, mit Artikeln
in Zeitschriften zu vergleichen sind) und zweitens in dem Inhalt (die Prospekt-Texte
haben in der Regel den Charakter der Werbetexte, während bei den Magazin-Texten
die „Agitation“ zwar auch eine gewisse Rolle spielt, diese Hauptbestimmung wird
jedoch in mehr am Argumentations- und Deskriptionstext „versteckt“).
Es
liegt auf der Hand, dass für unsere Fragestellung, nämlich die Expressivität
unserer Texte, ihre Hauptfunktion von Belang ist. Wollen wir den mit eher
negativen Konnotationen belasteten Terminus „Manipulation“ vermeiden, dürften
wir etwa von der Überzeugungsfunktion reden. Wichtig ist also, dass unsere
Texte zwar auf den ersten Blick dem vorwiegend informativen Zweck dienen, ihr Ziel ist jedoch nicht nur über etwas
Auskunft zu geben, sondern auch zu überzeugen und durch geschickte
Argumentation das künftige Verhalten des Lesers (der als ein potenzieller Kunde
zu verstehen gilt) zu lenken. Wie dieses – wenn man es so sagen dürfte –
Hauptanliegen dieser Textsorte sprachlich realisiert werden kann und wird, ist
die Frage, welche in unserer Analyse am meisten interessiert, denn diese
„Manipulation“, oder genauer gesagt die Mittel durch die sie erzielt wird, gehören – wie schon oben angedeutet worden
ist – zu der Expressivität, die wir festzulegen bemüht sind.
Expressivität
Für unsere Fragestellung ist die sprachliche
Expressivität in ihrer Verankerung in der Kommunikationssituation besonders
anregend, denn es geht uns nicht zuletzt um die Einwirkung der entsprechenden
Texte auf ihre Adressaten. Aus diesem Grunde möchten wir unsere Aufmerksamkeit
der Problematik der Beziehung zwischen der Expressivität und der
Kommunikationssituation, bzw. der Sprachfunktionen zuwenden. Zunächst möchten
wir dabei von dem Organonmodell der Sprache von Karl BÜHLER ausgehen „Es ist Symbol kraft seiner Zuordnung zu Gegenständen und
Sachverhalten, Symptom (Anzeichen, Indicium) kraft seiner Abhänigkeit vom
Sender, dessen Innerlichkeit es ausdrückt, und Signal kraft seines Appells an
den Hörer, dessen äußeres oder inneres Verhalten es steuert wie andere
Verkehrszeichen…‚ dreifach ist die
Leistung der menschlichen Sprache, Kundgabe, Auslösung und Darstellung‘. Heute
bevorzuge ich die Termini: Ausdruck, Appell und Darstellung, weil ‚Ausdruck‘ im
Kreise der Sprachtheoretiker mehr und mehr die hier geforderte präzise
Bedeutung gewinnt und weil das lateinische Wort ‚appellare‘ (englisch appeal,
deutsch etwa: ansprechen) treffend ist für das zweite; es gibt, wie heute jeder
weiß, einen sex appeal, neben welchem der speech appeal mir als ebenso
greifbare Tatsache erscheint.“ (BÜHLER, 1935, 28-29)
BÜHLER nennt hier die drei Größen der
Kommunikationssituation: den Sprecher (mit seinem Ausdruck), den Hörer, für dem das Kommunizierte einen Appell darstellt und das Gesagte (oder
allgemeiner das Kommunizierte) als Darstellung.
Es liegt nahe, für die Expressivität wurde diesem Modell vor allem die erste
Größe – der Ausdruck entnommen. In den expressiven Eigenschaften des Textes
dürfte man den direkten Ausdruck des emotionalen Zustandes des Sprechers bzw.
Schreibers sehen. Nach unserem Erachten würde sich dadurch die Expressivität
noch nicht erschöpfen. Davon abgesehen, dass das Dargestellte expressive Züge
verweisen kann (die Expressivität des Denotats), ist auch die Wirkung auf den
Empfänger – der Appell – von Belang.
Versuchen wir konkret von unseren Texten
auszugehen: Schon die Bezeichnung „Sachtext“ signalisiert, dass man einen
Ausdruck der Gefühle des Autors des gegebenen Textes nur schwer für das
„Hauptmerkmal“ halten könnte. Trotzdem gestatten wir uns zu glauben, Sachtexte
seien expressiv. Es sollte allerdings vorausgeschickt werden, es ließe sich
keineswegs ausschließen, dass irgendwelche Emotionen des Autors auch in den
Sachtexten zum Ausdruck kommen. Silke JAHR, die Autorin des Buches Emotionen und Emotionsstrukturen in
Sachtexten (Berlin, New York, 2000), ist bemüht eine Analyse der Sachtexte
gerade im Hinblick auf die in ihnen enthaltenen Emotionen – gemeint seien wohl
die Gefühle des Schreibers – vorzubringen. Sie geht nämlich von den psychologischen
Zusammenhängen[2] aus
und sucht nach dem sprachlichen Ausdruck des entsprechenden psychischen
Zustandes des Sprechers/Schreibers. Ohne dass wir diesen Aspekt der
Expressivitätsproblematik völlig außer Acht lassen möchten, wenden wir also
unsere Aufmerksamkeit nicht nur der Expressivität im Sinne des Ausdrucks von
Gefühlen des Autors vom gegebenen Texte, sondern auch der Expressivität im
Sinne von Emotionen, die bei dem
Empfänger der Mitteilung (absichtlich) geweckt werden sollen.
Ein Beispiel aus den Bereich, der uns
besonders angeht: Es würde einem bestimmt eher schwer fallen, sich einen
Angestellten einer Versicherungsanstalt vorzustellen, welcher seinen Klienten
aus tiefstem Herzen bemitleide, und diesem seinen Mitleid einen sprachlichen
Ausdruck verleihe. Die Vorstellung desselben hypothetischen
Versicherungsagenten, welcher verschiedenste Risiken, denen sein Klient täglich
ausgesetzt ist, in bunten Farben beschreibt, um gerade den Adressaten seiner
Worte nicht nur zur realistischen Analyse der Situation, sondern auch in die
gefühlsmäßige Lage zu bringen, und auf diese Weise seine Argumentation
wirksamer zu machen, ist viel realer. Das, was wir hier andeuten, war in der
Geschichte der Beschreibung verschiedenster Sprachmitteln – und ist immer noch
– der Gegenstand der Rhetorik. Deswegen können wir in unserer Konkreten Analyse
verschiedene Kategorien der klassischen Rhetorik nicht vermeiden (vgl. unten).
Zuletzt sollte noch ein Moment nicht unbemerkt bleiben, und das ist die
eventuelle Expressivität, die sich in der dritten Sprachfunktion BÜHLERs
verstecken könnte und kann: Es geht um die so zu sagen Expressivität des
besprochenen Denotats; manche der dargestellten
Tatsachen sind nämlich expressiv an sich, d.h. sie betreffen solche
Lebensbereiche, die von sich selber, sagen wir automatisch, Gefühle erwecken.
Es ist allerdings nicht einfach, zwischen diesen drei „Expressivitäten“,
oder anders gesagt „expressiven Sprachfunktionen“ eine klare Trennungslinie zu
ziehen, zumal sie sich vielfach „überlappen“. Wieder ein Beispiel: Während dem
Schlangestehen auf der Post, habe ich auf einem da liegenden Prospekt einer
Krankenversicherungsanstalt folgende (ungefähr) Worte gelesen: „Während Sie diese Worte lesen, kommt es in
der BRD zu 20 Unfällen“. An Hand dieses kurzen Textes kann man feststellen:
Dieser Satz beschreibt eine Tatsache, die sehr beunruhigend ist, sie ist also –
in der von uns gebrauchten Terminologie – expressiv, wir haben es da also mit
der Expressivität der Darstellung zu tun, andererseits kann wohl angenommen
werden, dass die Proposition nicht einmal den Autor dieses Ausspruches völlig
unbefangen ließe, es dürften irgendwelche Emotionen auch bei ihm vorausgesetzt
werden, obwohl ihnen kein unmittelbarer sprachlicher Ausdruck entspricht,
jedoch die Tatsache selbst, der potenzielle Autor wendet sich mit seiner
Behauptung an den Adressaten, könnte als ein Anzeichen seines emotionellen
Betroffenseins verstanden werden; es dürfte also von der Ausdruck-Funktion
gesprochen werden. Und last but not least, liegt es auf der Hand, dass dieser
Satz als ein klarer Appell aufgefasst werden dürfte, denn diese Mitteilung ist
mit einer klarer Absicht gemacht, nämlich den Leser dazu zu bringen, sich gegen
die drohenden Unfälle versichern lassen.
Es sei an dieser Stelle noch bemerkt, dass wohl diese letzte „Funktion“
eindeutig beweist, man sollte bei der Analyse solcher Art, nie den Kontext
außer Acht lassen, in dem eine Äußerung steht. Der von uns besprochene Satz,
würde wohl in einer Statistik anders wirken[3]
als in einem Versicherungsprospekt, wo die Bestimmung und Einwirkung der
jeweiligen Mitteilungen schon durch die Hauptbestimmung der Textsorte als
ganzen gegeben sei.
Wir müssen jedoch bemerken, dass eine klare Trennung der drei Funktionen
der expressiven Texte, für uns weder notwendig, noch wünschenswert ist. Wir
haben schon angedeutet, dass besonders die Ausdruck- und Appellfunktion in
unserer Auffassung der Expressivität sehr eng miteinander verbunden sind. Man
könnte nämlich einwenden, dass wir die zwei Bühlerschen Funktionen nicht klar
unterscheiden, und dort, wo es sich eindeutig um den Appell handeln würde,
würden wir unnötig auch das Ausdruck-Moment in Betracht ziehen. Die klare
Trennung der einzelnen Funktionen hat nämlich für unsere eigentlichen Zwecke
keinen großen heuristischen Wert; es geht uns vor allem um die sprachlichen Mittel, durch die
die Expressivität erzielt wird, und die oben stehende Analyse der einzelnen
Sprachfunktionen soll uns bloß als ein theoretischer Ausgangspunkt für unsere
konkrete linguistische Analyse dienen.
Wir haben die Frage der Ausdruck- bzw. Appellfunktion der Sprache im
Hinblick auf Expressivität kurz dargestellt, in unseren konkreten Analysen
spielt jedoch noch eine Funktion der Sprache eine wesentliche Rolle: Es ist die
ästhetische Funktion, dies hängt einerseits damit zusammen, dass ästhetisch
wirkende Sprachelemente manchmal in den Sachtexten verwendet werden, damit die
Wirkung auf den Hörer/Leser stärker ist – sowohl im Sinne eines Ausdrucks, wie
auch eines Appells. Von Belang ist auch wohl die Tatsache, dass wir alle
„ästhetischen“ Momente des Textes (Lyrismen, Figuren usw.) als expressiv
auffassen und deswegen vorhaben, sie zu analysieren.
Im Hinblick auf die Beziehung der
Sprachfunktionen zur Expressivität liege wohl noch ein Problem nahe, und zwar
das der Spiegelung der menschlichen Emotionen in der Sprache; dieses Phänomen
macht nämlich im Grunde genommen die Expressivität aus. Diese Fragen
interessieren nicht nur Linguistik, sondern auch Psychologie. Was in diesem
Sinne für Linguistik von Belang sei, seien nicht die Affekte, sondern ihre
Kodierung in der Sprache. Die Studie von J. DÜNKER bringt dazu: „BOTTENBERG meint hierzu: ‚…emotionale
Vorgänge sind auf sprachliches Verhalten hin angelegt‘, und ‚Gefühle tendieren,
von einer endothymen Erregung ausgehend, zur sprachlichen Fassung, sie haben
Namen …, damit Stabilität und Identität‘. Affekte gewinnen also ihre Identität durch
Sprache, durch Namen, Bezeichnungen, Begriffe. ,In dem Masse, in dem die
urtümliche Bezogenheit des Individuums sich in denotativer Bedeutung
differenzieren und konkretisieren, erfahren die emotionalen Vorgänge selbst
zunehmende Differenzierung und Konkretisierung.‘(BOTTENBERG, 1972, 147ff.) Erst durch die Transformation in die
Sprache gewinnt der variable psychische Aspekt des Affektes Struktur und eine
intersubjektiv mitteilbare Bedeutung“ (DÜNKER, 1979, 45). Hier wird
allerdings eine allgemeinere Frage angesprochen, und nämlich die der Beziehung
der Sprache und des Denkens bzw. die der Sprache und der Widerspiegelung der
Realität. Von einigen Linguisten, bzw. linguistischen Schulen wird die Ansicht
vertreten, der Mensch nehme die Realität durch das „Gitter“ der Sprache wahr.[4]
In der Germanistik hat diese Auffassung sehr stark Leo WEISGERBER vertreten; in
seiner Konzeption gäbe es in jeder Sprache die sog. „innere Form“ (dieser
Terminus stammt allerdings von Humboldt), die dem zu Bezeichnenden den
konkreten und für die gegebene Sprache spezifischen Ausdruck verleihe. Leo
WEISGERBER stellt diese Auffassung in den meisten der sog. „inhaltsbezogenen
Grammatik“ gewidmeten Werken. Sein beliebter Terminus ist auch die
„Muttersprache“, d.h. die Sprache der Gemeinschaft, deren Mitglieder die Welt
durch das „Gitter“ gerade dieser Muttersprache bekommen. Was wir als das „Gitter“
bildlich wiedergegeben haben, bezeichnet er als die „geistige Zwischenwelt“
(vgl. u. a. WEISGERBER, 1962, 38-52). Für unsere Analysen seien diese Gedanken
in dem Sinne maßgebend, dass wir uns
auch der Komparatistik widmen werden, und da ist die verschiedene „Kodierung“
der Realität (für uns vor allem der Emotionalität) in der jeweiligen Sprache
von Belang.
Wenden wir noch kurz unsere Aufmerksamkeit dem Verhältnis von Sprache
und Gefühlen: „In der Sprache wird das
Gefühlte erst bewusst und kognitiv verfügbar, denn ‚the linguistic code is the
primary access the normal adult has to the structure of his experince. It has
generally been assumed that denotative or extensional meaning relates the
perceptual world to the liguistic code…‘. In den linguistischen Strukturen können demnach generell
perzeptive, kognitive und psychologische Realitäten erfasst werden. Aus dem
bisher Gesagten lässt sich folgern, das gestützt auf die lexikalischen Elemente
Affekte nicht nur enkodiert d.h. sprachlich ausgedrückt bzw. bezeichnet
werden können, sondern das psychische, variable Phänomen ‚Affekt‘ kann kraft
der Ordnungs- und Orientierungsleistung der Sprache darüberhinaus auch dekodiert,
identifiziert und bewertet werden.“
(DÜNKER, 1979, 45-46 –Hervorhebungen im Original). Man könnte in diesem
Zusammenhang wohl sagen, erst die
Sprache gebe dem Gefühl seine Gestalt; das, was sich im Inneren des Menschen
als sein Gefühlsleben abspielt, gewinnt die Form, welche kommuniziert werden
kann, erst in der sprachlichen Gestaltung. Bis dahin seien die Gefühle bloß
eine psychische Tatsache, erst durch die sprachliche Kodierung gewinnen sie die
Gestalt, die unserer Ansicht nicht nur für diejenigen, denen diese Gefühle auf
diese Weise eventuell mitgeteilt werden können, von Belang sei, sondern auch
für das Subjekt, d.h. den Träger der Gefühle, denn auch für ihn sei die
Benennung dessen, was er fühlt, wichtig.
Zu der Frage des „Ergreifens der Gefühle“ durch die Sprache schreibt
DÜNKER: „Es ist die Bezeichnungsfunktion
der Sprache, kraft der eine bestimmte Affektstruktur mit einer Wortform
verbunden wird. In der Bedeutungsfunktion hingegen erschließt sich die
Beziehung zwischen den lexikalischen Entitäten und deren Denotat: den Affekten.
(DÜNKER, 1979, 46-47 - Hervorhebungen im Original).
Es
sei unseren Erachtens nach noch ein Moment dieses Prozesses hervorzuheben: Die
Kodierung der Gefühle durch die Sprache und in derselben wird nicht nur durch
die inneren Regeln der Sprache bestimmt, sondern auch durch bestimmte
kulturelle Konventionen; was an Affekten überhaupt zulässig ist, sprachlich zu
gestalten, ist im hohen Maße durch gewisse für die jeweilige Kultur spezifische
Gewohnheiten bestimmt. In diesem Sinne dürften wir an die verschiedenen Formen
des sprachlichen Tabus denken. In diesem Sinne können wir also keinesfalls ein
1:1 Verhältnis zwischen den Affekten und ihren sprachlichen Realisationen
annehmen.
In Anknüpfung dazu, was wir über das
Verhältnis der Sprachfunktionen und der Expressivität gesagt haben, kommt es
uns angebracht vor, noch ein wichtiges Phänomen, das mit den Emotionen eng
zusammenhängt, zu behandeln. Es geht um die Bewertung der Sachverhalte. Dies
sei wohl der Tatsache zu entnehmen, „daß
die Bewertung als ein inhärentes Merkmal von Emotionen anzusehen ist. Das bedeutet,
daß in der Kommunikation von Emotionen auch stets Bewertungen kommuniziert
werden“ (JAHR, 2000, 66).
Silke JAHR bemerkt weiter, die
Problematik der Bewertung und der Werte sei vor allem der Gegenstand der Wissenschaftstheorie und Wertphilosophie.
(vgl. ebd.). Der Wertbegriff ist eng mit
den geforderten Eigenschaften im Rahmen einer Norm verbunden. Es wird dabei in
der Regel mit einer Wertskala gearbeitet. Für die konkreten sprachlichen
Realisierungen von Werten ist jedoch die semantische Ambiguität typisch, was
z.B. solche Begriffe wie Lebensqualität,
Solidarität oder Freiheit
beweisen. (vgl. ebd.).
SACHTEXTE:
Nachdem
wir bemüht waren die Expressivität festzulegen, versuchen wir jetzt an Hand von
Texten (die wir oben charakterisiert haben) nach den konkreten Beispielen der
Expressivität zu suchen. Wir gehen dabei
von den einzelnen Sprachebenen aus, um ein gewisses System für das Festlegen
der expressiven Textmerkmale zu gewinnen:
Die
„expressiven“ Sprachelemente – im Überblick
1. Phonetik – Schallnachahmung,
Reime
2. Morphologie – Genus,
Artikel
3. Lexikologie –
interessante Wortbildungen, Archaismen, Neologismen usw.
4. Syntax – syntaktische
Strukturen, Parallelismus.
5. Text – „expressive“
Textstruktur, für die Einwirkung des Textes wichtige Stellung im Rahmen des
Textes.
6. Metaphorik – Lyrismen
– Figuren, Verse, Metaphern[5]
KONKRETE BEISPIELE
Vorsorge – Hypovereinsbank – Heft mit längeren
Texten:
(1) Ob
mit oder ohne Trauschein, ob Mann und Frau oder – wie auch immer: …
6 – A -
Hier handelt es sich um eine metaphorische Umschreibung der Tatsache, dass
die Heirat die finanzielle Lebenssituation des Menschen verändert. Die
Redewendung „ob mit Trauschein…“ zeigt die Freiheitseinstellung, was noch
weiter durch die „ob Mann…“ gesteigert wird. An dieser Stelle haben wir es mit
einer ausgesprochen dem Adressaten zugewandten Formulierung zu tun; es ist also
eine Art Appell, obwohl nichts verlangt wird, bloß die Aufmerksamkeit des
Lesers, welche gerade durch die metaphorischen Sprachelemente angezogen werden
soll.
(2) …dass
die Vorsorgekonzepte beider Partner überdacht, ergänzt und ggf. gekoppelt
werden sollten.
4, 6 – A Hier fällt eine gewisse Steigerung auf, bei der
Formulierung „überdacht, ergänzt ….“ handelt es sich im gewissen Sinne um eine
pleonastische Ausdrucksweise, es geht um die schlichte Tatsache, dass die
Partner ihre finanziellen Pläne einander anpassen müssen, diese blumige
Äußerung fesselt die Aufmerksamkeit mehr
als es eine einfachere vermag, wobei sie einen fachlichen Eindruck erweckt; in
diesem Sinne ist auch das Wort „Vorsorgekonzept“ interessant, denn auch es
beschreibt eigentlich bloß die finanziellen Pläne, macht es jedoch auf eine
„fachliche“ Weise und ist dadurch im Bezug auf den Adressaten wirksamer.
(3) …
ebenso der Vermögensausbau, der bei doppelten Einkommen doppelt leicht fällt.
3, 4 – A Da begegnet uns ein Parallelismus semantischer Art,
zwei Einkommen bedeuten zweifache Erleichterung bei dem „Vermögensausbau“. Auch
der Ausdruck „Vermögensausbau“ fällt auf, denn er betont durch seine Semantik
die aktive Rolle des eventuellen Adressaten bei der Entwicklung seiner
finanziellen Lage und wirkt dadurch adressatenfreundlich.
(4) … der
Wunsch nach den eigenen vier Wänden…
6 – A Hier wird eine lexikalisierte Metapher benutzt; es
dürfte angenommen werden, dass jede metaphorische Äußerung, wenn auch die
entsprechende Metapher lexikalisiert ist, expressiver wirkt als der
entsprechende nicht metaphorische – sagen wir wörtliche – Ausdruck. Die Wirkung
des Satzes wird noch durch die Wendung „der Wunsch nach den…“ vertieft, denn es
wird hier das unmittelbare Interesse des Adressaten an dem besprochenen Objekt
deutlich gemacht.
(5) Doppelt
verdienen und doppelt sparen ergibt mehr als ein doppeltes Vermögen.
4, 6 Hier haben wir wieder
mit einem Parallelismus zu tun, oder genauer gesagt wird hier das Wort
„doppelt“ dreimal verwendet, der gesamte Satz hat den Charakter der Steigerung,
die Wiederholung des identischen Ausdrucks intensiviert die Dringlichkeit der
Äußerung.
(6) Risiken
abfedern.
6 – A Diese metaphorische Redewendung schöpft aus der
sportlichen Terminologie, was ihr eine Dynamik verleiht; es wird dadurch auch
die aktive Rolle des Adressaten unterstrichen.
(7) Der
Berufsunfähigkeitsschutz läuft individuell weiter und gehört auf den Prüfstein.
6 – A Hier interessiert vor
allem die teilweise lexikalisierte Metapher „gehört auf den Prüfstein“; der
Sinn der Aussage besteht darin, dass der Klient seinen Berufsunfähigkeitsschutz
(gemeint wird bestimmt die entsprechende Versicherung) dem gesamten, hier
dargestellten Konzept anpassen sollte. Durch die Behauptung „läuft individuell
weiter“ wird dem Adressaten eine gewisse Entscheidungsfreiheit zugestanden,
jedoch eigentlich gerade sie soll geprüft werden. Die metaphorische Ausdrucksweise
steigert wieder die Dringlichkeit der Äußerung.
(8) Dunkle
Augenringe sind morgens vielleicht nicht das Schönste. Aber am Nachmittag
schauen einem im Park dafür alle neidisch hinterher.
6, 5 – A Diese – allerdings ziemlich blumige – Aussage,
welche in sich sogar eine potenzielle Geschichte verbirgt, will sagen, dass die
Adressaten – junge Klienten, die Eheschließung vorhaben, ihr Wohnungsproblem
lösen sollten, damit sie nicht bloß auf einer Bank im Park ihre gemeinsame Zeit
verbringen müssten. Diese zwei Sätze spielen in der Textgestaltung die Rolle
der Überschrift; es wird in ihnen das Wohnen nicht explizit benannt, jedoch
gerade diese metaphorische elliptische Ausdrucksweise vertieft die Einwirkung
der gesamten Aussage. Bemerkenswert sind auch die einzelnen verwendeten
Ausdrücke, die wieder metaphorisch an sich sind, z.B. „dunkle Augenringe“ oder
„schauen einem … neidisch hinterher“, das alles ist in einem höchst
persönlichen Ton beschrieben, ohne dass dabei eine gewisse Grenze der Indiskretion
überschritten worden wäre. Diese Ausdrucksweise, welche keineswegs trocken
fachlich ist, soll beim Adressaten den Eindruck erwecken, er interessiere den
Autor der Mitteilung wirklich persönlich, auf diese Weise wird wieder die
Wirkung im Sinne des Appells intensiviert.
(9) Persönliche Freiheiten sind plötzlich nicht
mehr so wichtig. Dafür schießt das Verantwortungsbewusstsein in die Höhe und
Sicherheit wird noch wichtiger.
3, 4, 6 – A Diese Aussage enthält einen
Gegensatz, was mit Hilfe der Synsemantika wie z.B. „nicht mehr so …“, oder
„dafür“ deutlich wird. Daneben interessiert die metaphorische Redewendung „das
Verantwortungsbewusstsein schießt in die Höhe“, in dieser Metapher ist der
Ausdruck „schießt in die Höhe“ aus dem Pflanzenreich mit einem psychologischen
Terminus verbunden, was der Äußerung einen gewissen Reiz verleiht, denn diese
unübliche Verbindung wirkt auffällig und dadurch expressiv. Der zweite von uns zitierte Satz hat zugleich
den Charakter einer Steigerung; neben der
besprochenen Metapher, die ein Bild der Intensität beinhaltet, begegnen
wir der Konstruktion „…wird noch wichtiger“, die das vorher Gesagte noch
steigert. Die gesamte Äußerung ist daneben dadurch interessant, das sie ein
Zeitmoment enthält, was durch Zeitadverbien: „plötzlich“, „nicht mehr“ und
eventuell auch „noch“ erzielt wird. Obwohl es sich um eine „Beschreibung“ der
Situation handelt, wird durch den verwendeten Wortschatz (allgemein menschliche
oder psychologische Termini) wie z.B. „persönliche Freiheiten“,
„Verantwortungsbewusstsein“, „Sicherheit“ ein enger Kontakt mit dem Adressaten
angestrebt, und dieser wird möglichst stark an die beschriebene Situation
herangezogen.
(10)
Wer jetzt noch keine eigenen vier Wände hat,
sollte darüber nachdenken. Kinder brauchen schließlich Platz zum Spielen –
natürlich nicht nur die.
3, 6 – A Hier wird von neuem die lexikalisierte Metapher
„eigene vier Wände“ benutzt, wobei das Wohnungsproblem da mit einer gewissen
Dringlichkeit dargestellt wird, denn die Redewendung mit dem Modalverb „sollen“
ist eindeutig als eine gewisse Ermahnung zu verstehen, dieser mahnende Ton
setzt auch weiter fort, was besonders durch die Partikel „schließlich“ deutlich
wird, die Redewendung „natürlich nicht nur die“ erinnert dagegen daran, dass
nicht nur die potenziellen Kinder, sondern auch ihre Eltern, welche die
eigentlichen Adressaten der Mitteilung sind, ihre Ansprüche haben.
(11)
Eine Lebens- und Rentenversicherung, gekoppelt mit
Berufsunfähigkeitsschutz ist unbedingt notwendig.
2 – A Dieser Satz steht am
Anfang des Absatzes, der unter dem Titel „Risiken abfedern“ (vgl. oben) einen
regelmäßigen Bestandteil jeder Seite
bildet. Diese Anfangsstellung betont die Dringlichkeit der Mitteilung.
Dazu drückt die Formulierung „ist unbedingt notwendig“ eine Notwendigkeit aus,
über die man nicht diskutiert. Diese Notwendigkeit wird noch durch das Adverb
„unbedingt“ erhöht. Bemerkenswert ist
auch die Weise, auf die die Mitteilung dem Adressaten angeboten ist: es wird so
dargestellt, als ob es eine Tatsache wäre, eine Tatsache, die dank ihres
Wirklichkeitscharakters außerhalb der Kategorien der Richtigkeit, bzw. der
Falschheit liege. Dies ist allerdings ein beliebter Trick der Werbung: eine
Sache, deren Wert, bzw. Richtigkeit oder Falschheit man abwägen möchte, bzw.
sollte, wird als Tatsache vorgestellt. Es ist noch zu bemerken, obwohl hier der
Adressat nicht direkt angesprochen ist, wendet sich diese Aussage dank des
Notwendigkeitsmoments an den Adressaten sehr eindringlich.
(12) … auch für die Kinder sollte eine Unfallversicherung
selbstverständlich sein: Elterliche Fürsorge kann nicht jedes Risiko für den
Nachwuchs abfedern – Gefahren lauern sogar auf der Spielplatzschaukel.
5, 6 – A Hier geht es um eine Angelegenheit, wo sich die
Expressivität schon aus dem Denotat ergibt (vgl. oben): die Unfallsrisiken und die daraus folgende Notwendigkeit, sich
versichern lassen. Die Einwirkung wird noch dadurch gesteigert, dass es sich
auch um Risiken für die Kinder handelt, bei denen man natürlich noch
empfindlicher ist. Die expressive Wirkung dieser Aussage wird noch dadurch
erhöht, das da eine Metapher, genauer gesagt eine Personifikation verwendet
wird: „Gefahren lauern“, das Verb „lauern“ ist schon höchst expressiv an sich
(inhärente Expressivität), denn es beinhaltet Arglistigkeit, Ausfälligkeit und
Unberechenbarkeit als semantische Merkmale und in Verbindung mit dem Substantiv
„Gefahr“ als Subjekt wirkt es höchst düster. Zu unterstreichen ist jedoch auch,
dass diese Risiken abgefedert werden können und sollen, und zwar gerade durch
die angebotene Unfallsversicherung. Vom textlinguistischen Gesichtspunkt aus
ist die Stellung des Satzes – „Gefahren lauern …“ von Belang, diese Endstellung
(obwohl er logischerweise eher dem Satz, wo die Risiken abgefedert werden,
vorgestellt werden sollte) erhöht sich jedoch die Dringlichkeit der
mitgeteilten Tatsache.
(13) Wenn
man praktisch alles hat, werden die Dinge wichtig, die man nicht kaufen kann.
5 Dieses Satzgefüge hat
den Charakter einer Belehrung, seine Wirkung besteht u. a. darin, dass eine
solche Aussage im Rahmen eines Prospekts einer Bank ein bisschen paradox ist:
Denn es geht jeder Bank vor allem um das „alles“, d.h. um das Materielle und
nicht um „die Dinge, die man nicht kaufen kann“. Auf diese Weise wird ein
besonderes Interesse um das Wohl des Klienten deutlich gemacht, dabei gilt doch
zwischen den Zeilen zu lesen, auch die Dinge, die sich nicht kaufen lassen,
würden irgendwie mit der „Welt des Geldes“ zusammenhängen. Durch dieses Paradox
soll eine gewisse Spannung beim Leser entstehen, eine Erwartung, denn der
zitierte Satz hat die Funktion der Überschrift, und auf diese Weise verspricht
zugleich, dass die darin enthaltenen Rätsel demnächst erläutert werden. Hier
ergibt sich also die expressive Wirkung aus der textuellen Gestaltung.
(14) Es
ist geschafft: Die Kinder stehen auf eigenen Füßen
5, 6 – A Dieser Anfang des der Vorsorge der 50-jährigen
gewidmeten Abschnittes ist aus zwei Gründen interessant: erstens ist es die
lexikalisierte Metapher („auf eigenen Füßen..“), und zweitens die ganze
„Stimmung“ der Aussage: „Es ist geschafft“, dies entspricht einer
Lebensauffassung als eine Folge der Aufgaben, die man zu erfüllen hat, diese
Lebensauffassung korrespondiert sehr gut mit der protestantischen Moral, welche
bekanntlich eine der Stützen des Kapitalismus bildet. Der erste kurze Satz gibt
wohl auch einen gewissen Grad an Selbstbestätigung zu, denn es ist doch ein
Verdienst, die Kinder auf die eigenen Füße zu bringen. Dies soll vielleicht im
Rahmen des Textausbaus als ein verstecktes Lob des Kunden/Lesers wirken, das
ihn gegenüber dem weiter Gesagten positiv einstellen soll.
(15)
… und Erbschaften möglicherweise ganz
neue Perspektiven eröffnen.
5 – A Diese pragmatisch trockene Feststellung im Bezug
auf die Tatsache, dass die 50-jährigen mit dem Verlust der Verwandten rechnen
müssen, der ihnen außer Trauer vielleicht auch was Angenehmeres in der Form der
Erbschaft bringen könnte, liegt auf der Linie des praktischen und pragmatischen
Lebensverständnisses, wo auch solche Tatsachen wie Tod – etwas übertrieben
gesagt – einen Bestandteil des „finanziellen Plans“ des Lebens bilden. Wichtig
ist die Orientierung nicht auf den Tod (als die Ursache der Erbschaft) sondern
auf die Perspektiven in der Zukunft; dies entspricht der prinzipiell positiven
Einstellung des Textes.
(16) Und
es ist die höchste Zeit, die finanzielle Lage zu sondieren, damit mögliche
Versorgungslücken nicht erst erkannt werden, wenn es zu spät ist.
3, 4, 5 Dieser Satz hat den
Charakter einer deutlichen Empfehlung, die sich im zweiten Teil fast in eine
Warnung verändert. Die Dringlichkeit wird durch mehrere intensivierende
Ausdrücke betont: höchste, nicht erst, zu spät. Expressiv wirkt auch das
Kompositum Versorgungslücke, die aus einem abstrakten Bestimmungswort „Vorsorge“,
das als Fachausdruck zu werten ist, und dem konkreten Grundwort „Lücke“, das eine Gefahr ausdrückt, besteht;
dies Kombination vom Terminus und expressiven Konkretum wirkt emotiv. Der
dramatische Ton der Aussage wird dadurch intensiviert, dass da nicht bloß „wenn
es zu spät“ steht, sondern eine längere Beschreibung derselben Tatsache „erst,
wenn …“. Dieser letzte Satz des der Situation der 50-jährigen gewidmeten
Abschnittes steht in einem gewissen Widerspruch zu dem ersten Satz desselben
Absatzes (Es ist geschafft…vgl. oben), der optimistisch wirkt, am Ende des
Absatzes wird wieder darauf hingewiesen, dass man bei der Gestaltung seiner
ökonomischen Situationen immer auch Gefahren im Auge behalten muss.
(17) An erster Stelle steht jetzt das sichere Vermögenspolster
für unerwartete Ausgaben,
3, 5, 6 In dieser Aussage interessiert die metaphorische
Wortverbindung „sichere Vermögenspolster“, hier wird (ähnlich wie im Falle von
„Versorgungslücke“) ein terminologisches Abstraktum mit einem Konkretum in einem
Kompositum kombiniert; das Grundwort „Polster“ wird umso expressiver, dass
damit Ruhe, Schlafen etc. assoziiert werden, d.h. dass die Vermögenssicherheit
fast „körperlich“ ausgedrückt wird. Die Bedeutung von dieser Sicherheit wird
dadurch betont, dass sie „an der ersten Stelle stehen muss“. Der zitierte Satz
steht am Ende der „Rubrik“ welche jedem Absatz beigefügt wird. Diese
Textstellung betont die Wichtigkeit der Aussage.
(18) Wer
sich wohl fühlt, wird schneller gesund.
5 – A Diese Behauptung bildet die Überschrift des der
Krankversicherung gewidmeten Abschnittes. Es wird hier das Subjektive
unterstrichen, dieses Beachten des persönlichen Wohls des potenziellen Kunden
ist einer der wichtigen Grundsätze der Werbungsstrategie. Wichtig ist auch die
positive Einstellung der Aussage: da in der Überschrift des Absatzes, der die
eventuellen Schattenseite des Lebens – Krankheitsrisiko – betrifft, wird nicht
die Krankheit, sondern das Gesund-Sein betont.
(19) Auch als gesetzlich Versicherter brauchen Sie
nicht unbedingt auf die Vorzüge eines Privatpatienten verzichten.
4, 5 Hier wird ein
Widerspruch zu Werbungszwecken verwendet: „der gesetzlich Versicherte“ verfügt
offensichtlich nicht über solche Vorteile wie der Privatpatient, hier wird
jedoch behauptet, er müsse trotzdem nicht auf die Vorzüge verzichten, die
Bedingungen dafür werden dann in dem weiteren Textverlauf erklärt, jedoch schon
in diesem am Anfang des Absatzes stehenden Satz muss der Kern zum Ausdruck
gebracht werden, um die Neugier des Lesers/Kunden zu erwecken. Typisch ist auch
die syntaktische Form dieser Aussage: die negative Aussage (welche noch durch
den intensivierenden Ausdruck „unbedingt“ verstärkt wird) wird in eine positiv
wirkende Behauptung verwandelt.
(20) Leben
Sie. Wir kümmern uns um die Details.
5 – A Diese kleine Parole begleitet die zwei
Schlussseiten. Es wird hier ausgedrückt, man könnte ganz sorglos leben, falls
sich die Hypovereinsbank um die praktischen finanziellen Angelegenheiten
kümmert, diese werden da als „Details“ bezeichnet, obwohl sie natürlich keine
sind: es wird auf diese Weise zum Ausdruck gebracht, dass falls sie von „uns“
(d.h. der Bank) bedient werden, ergeben sich für den Klienten keine großen
Sorgen, sondern wirklich nur Details. Interessant ist auch die Syntax, der
erste kurze Satz wirkt fast eliptisch – es wird wohl gemeint: „Leben sie so gut
und sorglos wie möglich“. Die gesamte Aussage bedeutet eigentlich die Bedingung
(„Wenn wir uns um die Details kümmern, können sie leben“). Es wird jedoch nicht
die Form des Konditionalsatzes benutzt, auf diese Weise wird nicht die
Bedingung (die Leistung der Bank), sondern der Leser/Kunde selbst, an der
ersten Stelle genannt und der Adressatenbezug wird noch durch das Verwenden des
Imperativs deutlich.
Prospekte
(1) Wer
klug ist, sorgt schon jetzt für ein „sicheres Renten-Polster“.
Mit geschenktem Geld vom Staat.
3, 4, 5 Diese zwei Sätze
stehen auf der ersten Seite eines der Altersvorsorge gewidmeten Prospekts. Das
erste Satzgefüge drückt eigentlich eine Bedingung aus („Wenn man klug ist,
sorgt sich …“), die Form mit dem Subjekt-Nebensatz verleiht der Aussage eine
allgemeine Gültigkeit und bedeutet eigentlich: „Seien Sie so klug und sorgen
Sie sich …“; diese versteckte Aufforderung wird durch die metaphorische Redewendung
„sicheres Renten-Polster“ auffallend, das Wort „Polster“ suggeriert die
Vorstellung von Bequemlichkeit und Sicherheit. Diese angenehme Vorstellung wird
noch durch den zweiten Satz betont, wo von dem „geschenkten Geld“ die Rede ist.
Dieser Anfang der Mitteilung, die der Prospekt enthält, soll den Leser, d.h.
zugleich den potenziellen Kunden, dem Inhalt gegenüber positiv stimmen.
(2) Man
trägt jetzt Euro!
6 – A Diese Überschrift des der Euro-Einführung
gewidmeten Prospekts drückt metaphorisch die Tatsache der neuen europäischen
Währung aus. Durch das Verwenden des Ausdruckes aus dem Mode-Bereich soll das
Gefühl der Nähe mit dem alltäglichen Leben erzielt werden. Zugleich soll es so
aussehen, als ob es an der freien Wahl des Bürgers – ähnlich wie bei der Wahl
des Kleides – liegen würde, welche Währung da ist.
(3) Mit
dem Euro gehen wir gemeinsam in die Zukunft, um ein neues Europa zu gestalten,
das dem geschichtlichen Fundament seiner Herkunft gerecht wird.
4 Dieser Satz bringt die politische Botschaft der
Euro-Einführung; durch das Verwenden der ersten Person Plural soll das
Mitmachen aller Europabürger betont werden, auch der Finalsatz soll dieses
Beteiligtsein von Bürgern unterstreichen. Die Wortverbindung „neues Europa“ hat
einen politischen Inhalt, es soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass
dieses Europa von allen ehemaligen Konflikten befreit sei. Der Relativsatz, der
dieses neue Europa näher bestimmt, ist auch so optimistisch gestimmt, obwohl er
sich auf die Geschichte beruft, ist er in die Zukunft gerichtet.
(4)
Ein unachtsamer
Moment.
Und
schon ist es passiert.
4, 5 Diese Überschrift des der Haftung gewidmeten Textes
eines Versicherungsprospekts macht auf die ständig anwesende Gefahr aufmerksam.
Die Form von elliptischen Sätzen soll dramatisch wirken. Die konkrete Gefahr
wird erst in dem folgenden Text näher bestimmt, da in der Überschrift bloß
darauf aufmerksam gemacht wird, dass sie immer droht, ohne dass man daran
schuld wäre. Von Belang ist auch, wie schnell etwas passieren kann: es genügt
nur ein Moment, und ein Unfall ist da.
(5)
Mit uns Fahren Sie
preiswert und sicher.
Wir
bieten Ihnen Schutz und Sicherheit rund ums Auto. Mit vielen Extras,
Leistungsverbesserungen und Beitragsvorteilen. Zu besonders günstigen
Beiträgen.
3, 4 Diese Überschrift des der Auto-Versicherung
gewidmeten Textes ist eigentlich eine Werbung. Es werden verschiedene Vorteile
genannt: „preiswert und sicher“, „Schutz und Sicherheit“, „viele Extras,
Leistungsverbesserungen und Beitragsvorteile“. Die Häufung dieser Vorteile soll
den Eindruck von großer Menge erwecken. Expressiv wirken auch die eher
umgangssprachlichen Formen „rund ums Auto“ und „Extras“. Typisch ist auch das
Verwenden von intensivierenden Ausdrücke wie z.B.: „vielen Extras“ und
„zu besonders günstigen“.
Die
folgenden tschechischen Beispiele sind einem Artikel aus dem Magazin Mozaika (Magazin der
Tschechisch-mährischen Bausparkasse) Nr. 2, 2002 entnommen.
(1)
Na bydlení výraznì pøispìly tøi smlouvy stavebního spoøení…
(Zum Wohnen haben drei
Bausparenverträge wesentlich beigetragen…)
4, 5 Dieser Satz ist der Überschrift eines einer neuen
Wohnung gewidmeten Artikels entnommen. Für die Expressivität sind zwei Momente
von Belang: erstens das intensivierende Adverb „výraznì“ „deutlich“, zweitens
die Stellung dieser Aussage – d.h. der Titel. Es wird deutlich gemacht, dass
die beschriebene Wohnung nur dank dieser finanziellen Unterstützung möglich
war.
(2)
Domov v rytmu tance…
(Heim im Tanzrhytmus…)
6 – A Diese metaphorische Wendung bildet den eigentlichen
Titel des Artikels. Es geht da um eine nicht lexikalisierte Metapher; ihre
Wirkung ist an dieser Stelle zweifach: das „Tanzen“ kann sich entweder auf das
Haus an sich, d.h. zu seiner architektonischen Form usw. beziehen, oder dies
kann irgendwie mit dem „Geist“ dieses Hauses zusammenhängen. Der Leser weiß –
im Hinblick auf die Stellung der Äußerung im Rahmen des Ausbaus des
betreffenden Textes – nicht, welche der Möglichkeiten gilt, was seine Neugier
erwecken soll.
(3) Nad spoleèenským tancem zde každý den slunce
vychází, i veèer zapadá.
(Über dem Gesellschaftstanz geht hier jeden Tag die
Sonne auf, und abends geht sie unter.)
6 – A Metaphorisch wird in diesem Satz ausgedrückt, dass
im beschriebenen Haus getanzt wird, und dass das Tanzen der eigentliche Zweck
dieses Hauses ist. Die Metaphorik des Ausdrucks wirkt poetisch und zusammen mit
dem Inhalt – dem Tanzen und mit Hilfe von Himmelskörpern ausgedrückten
Zeitdimension – versucht er auf die Gefühle des Lesers zu wirken.
(4) … a když mìli možnost pøestìhovat se do
bytu 3 + 1 na brnìnském sídlišti, pøipadali si jako v ráji.
(… und als sie die Möglichkeit hatten, sich in eine
3+1-Wohnung in einer Brünner Siedlung anzuziehen, kamen sie sich wie im
Paradies vor.)
6 – A In dieser Äußerung wird die frühere
Wohnungssituation der Einwohner des „Tanzhauses“ beschrieben. Sie soll
offensichtlich mit der Situation heute im „Tanzhaus“ in Kontrast gestellt
werden. Obwohl sich die heutigen Inhaber des beschriebenen Hauses „wie im
Paradies vorkamen“, liegt es auf der Hand, jetzt ist es viel besser. Dieser
Kontrast soll emotional wirken, er soll dem Leser u. a. deutlich machen, welche
Möglichkeiten ihm das Baussparen bringen kann, Möglichkeiten, die – um die hier
verwendete Metapher zu benutzen – noch „paradiesischer“ zu leben, als sie davon
je träumen konnten.
(5) … propadli závodnímu tancování.
(… sie sind dem Wetttanzen verfallen.)
6 Hier wird
metaphorisch ausgedrückt, dass die Einwohner des „Tanzhauses“ mit dem Tanzen
nicht nur ihr Brot verdienen, sondern dass es auch den Sinn ihres Lebens
bedeuten würde.
(6) Pokusùm
bylo odzvonìno a byli pøizváni
profesionálové.
(Den Versuchen wurde abgelautet und es wurden
Fachleute eingeladen.)
6 - A Es wird da metaphorisch gesagt, dass das Haus von
den Fachleuten aufgebaut worden war. Es wird jedoch auch angedeutet, dass die Inhaber
versucht hätten, selbst zu bauen, was jedoch offensichtlich erfolglos war.
Indem hier auch die Geschichte der Entstehung des „Tanzhauses“ relativ
ausführlich beschrieben wird, soll der Leser nicht nur Informationen bekommen,
sondern es soll sich auf diese Weise bei ihm auch eine emotionale Beziehung zu
der ganzen Geschichte herausbilden.
(7) Pøi
výbìru firmy mìli šastnou ruku …
(Bei der Wahl der Firma haben sie Glück gehabt…)
6 – A Im tschechischen
Original wird eine Metapher (wörtlich
„sie hatten… eine glückliche Hand“)
verwendet; dieses Glück bei der Wahl ist wichtig für das gesamte „positive“
Klima der Geschichte, es soll u. a. den Leser darüber überzeugen, dass das
Bauen nicht nur möglich sei, sondern dass es keine großen Probleme bereitet.
(8) … ani teï taneèní sál nezahálel.
(…nicht einmal jetzt faulenzte der Tanzsaal.)
6 – A Hier wird metaphorisch ausgedrückt, dass das Tanzen
im Haus immer anwesend sei. Dieses volle Ausnutzen des Saales, bzw. des Hauses
bildet auch den Bestandteil des oben erwähnten „positiven“ Klimas, das u. a.
auf die Gefühle des Lesers einwirkt und sie in die gewünschte Richtung lenkt –
das heißt, dass er den Mut und die Lust habe, auch zu bauen.
(9) K.T.
zde právì mìla „taneèní“ caparty z místní mateøské školy.
(K.T. hatte hier gerade die „Tanzen-Matze“ aus dem
hiesigen Kindergarten.)
3, 6 Durch das Verwenden des umgangssprachlichen
Ausdrucks „capart“ („Matz“) mit dem in Anführungszeichen metaphorisch
verwendeten Attribut „taneèní“ „Tanz-“ soll ein lockeres Klima erzielt werden,
das gut mit der Tatsache korrespondiert, dass die Rede von Kindern ist.
(10)
Tady, v domì s pomyslnými
taneèními støevíèky ve štítu, opravdu nad tancem slunce vychází, zapadá a zase
vychází…
(Hier, im Hause mit imaginären Tanzsandaletten im
Schild, geht die Sonne wirklich über dem Tanzen auf, geht unter und wieder
auf…)
5, 6 In diesem Satz werden zwei Metaphern verwendet: die
eine mit den „Tanzsandaletten“ und die andere mit der Sonne – welche im Text
schon zum zweiten Mal vorkommt, was stilistisch intensivierend wirken soll.
Diese doppelte metaphorische Äußerung wirkt poetisch, wichtig ist auch die
Stellung des besprochenen Satzes im Rahmen des Gesamttextes – er schließt den graphisch
gesonderten, dem Tanzsaal gewidmeten Teil des Textes ab. Die Anfangs- bzw.
Endstellung sind immer „neuralgische Punkte“ jedes Textes, auf die immer die
Aufmerksamkeit des Lesers gelenkt wird. Diese Textstellung mit der doppelten
Metapher wirkt sehr expressiv.
(11) Pøi
stavbì výraznì pomohly tøi uzavøené smlouvy stavebního spoøení s Liškou a
následné meziúvìry.
(Bei dem Bau haben die drei abgeschlossenen
Bausparverträge mit dem Fuchs und die folgenden Zwischen-Kredite deutlich
geholfen).
A Hier werden
„Verdienste“ des Bausparens ausdrücklich genannt; es soll dem Leser angedeutet
werden, dass gerade sie das erfolgreiche Bauen ermöglichen. Obwohl der gesamte
Text einem bestimmten Haus gewidmet ist, besteht sein eigentlicher Sinn im
Hinblick auf den potenziellen Leser darin, ihn über die Zweckmäßigkeit des
Bausparens zu überzeugen. Gerade dadurch, dass dieses Ziel unauffällig verfolgt
wird, soll dies besonders überzeugend wirken.
(12) Plánùm
vládne tanec
(Für die Pläne ist der Tanz am wichtigsten)
6 - A So lautet die
Überschrift des der Beschreibung des Interieurs gewidmete Textabschnittes. Im
Tschechischen steht wörtlich übersetzt: „Der Tanz beherrscht die Pläne“; die
Personifikation des Tanzens wirkt nicht nur poetisch, sondern sie soll irgendwie
die ganze Einstellung des Einwohners des Hauses betonen, welche dank dieser Hingabe
gerade dem Tanzen die Sympathien des Lesers erwecken kann, denn das Tanzen gilt
wohl als etwas in dieser pragmatischen Welt fast Überirdisches. Und gerade die
Tatsache, dass auch für dieses Überirdische Geld (Bausparen usw.) von Belang
sei, erklärt die ein wenig unübliche Kombination von Tanzen und Finanzen,
welche den spezifischen Reiz dieses Artikels ausmachen soll. Man ist in der
Versuchung zu sagen, es sei „die versteckte Anmut“ der Werbung – und unsere
Texte seien im gewissen Sinne Werbung, wie wir am Anfang dieses Artikels zu
beweisen versucht haben – dass sie die widerspruchsvollen
Tatsachen unter einen Hut bringen.
(13) Hydromasážní
rohová vana a velké okno nabízejí maximum pohody a relaxace.
(Die Hydro-Massage-Eckewanne und das große Fenster
bieten das Maximum an Behagen und Relaxation.)
3 Diese Beschreibung
der Ausstattung vom Bad fällt durch ihre Sprache auf: die fast technischen
Ausdrücke (Hydro-Massage-Wanne) werden mit den Mode-Wörtern der Jugend Sprache
(„pohoda“ – „Behagen“) kombiniert; der Ausdruck „pohoda“ gehört im
Tschechischen wirklich der Jugendsprache an, während er im Deutschen neutral
ist.
(14)
…vedli jsme spoustu diskusí
s architektem Kozlem, který byl naladìn na stejnou strunu.
(… wir haben viele Diskussionen mit dem Architekten
Kozel geführt, der auf der gleichen Welle schwang.)
5, 6 – A Die im Tschechischen teilweise lexikalisierte
„Saite“-Metapher (die wörtliche Übersetzung lautet: „der auf die gleiche Saite
eingestellt ist“ – die Deutsche Übersetzung ist frei) wirkt im Rahmen der
zitierten direkten Rede (ein Zitat von einem der Einwohner des „Tanzhauses“)
locker, sie gibt zu spüren, dass bei dem Bau des Hauses eine gute Atmosphäre herrschte,
dass das schon zitierte „Behagen“ stets präsent war. Auch dieser letzte Satz
des Artikels bildet einen Bestandteil der versteckten Werbung, von der schon
die Rede war: es sei gerade die finanzielle Unterstützung der Bau-Sparkasse
(Bausparen usw.) – die auch die Zeitschrift, den der Artikel entnommen ist,
herausgibt, die dieses Behagen ermöglicht; das wunderschöne („überirdische“)
Tanzhaus soll den Lesern als ein Vorbild vorgestellt werden, das ihnen zeigt,
welche Möglichkeiten so eine schlichte Angelegenheit wie das Bausparen
eröffnet.
Prospekte
(1) I ve
stavebním spoøení platí, že ve dvou se to lépe tahne, a což teprve ve tøech, ve
ètyøech…
(Auch im Bausparen gilt, dass es zu zweit besser
geht, umso mehr zu dritt, zu viert …)
4, 6 – A Diese Behauptung soll
die potenziellen Klienten der Sparkasse zum Bausparen motivieren. In dem
Prospekt werden sowohl die verschiedenen Formen des Bausparens, wie auch seine
Vorteile beschrieben. Der bildhafte Ausdruck „ve dvou se to lépe táhne“ (wir
haben es ins Deutsche nur frei übersetzt, denn es mangelt am entsprechenden
Idiom), der eher umgangssprachlich ist, soll locker wirken, und den Leser
positiv stimmen. Typisch ist auch die
syntaktische Steigerung, die auch die
Steigerung der erzielten Vorteile illustrieren soll.
(2) …když dìti vyletí z hnízda …
(… wenn die Kinder das Nest verlassen …)
6 – A Diese im Tschechischen lexikalisierte Metapher (die
deutsche Übersetzung ist frei) bringt zum Ausdruck den Moment, wenn die Kinder
das elterliche Haus verlassen. Dies ist die Überschrift, des dieser
Lebensperiode im Hinblick auf Bausparen gewidmeten Absatzes. Dieser
metaphorische Ausdruck wirkt gefühlsmäßiger als es z.B. bei dem bloßen „wenn
die Kinder erwachsen sind“ der Fall wäre; es soll dadurch der persönliche Bezug
zu dem Klienten betont werden (das ist allerdings auch die typische
Werbungsstrategie).
(4) Máte
své sny o vlastním bydlení?
To by bylo nìco, mít tak svùj vlastní byt! Vlastní
soukromí, kde si budete rozhodovat, jestli veèer pozvete kamarády na party,
nebo jestli budete radìji luxovat.
(Haben Sie ihre Träume über das eigene Wohnen?
Es wäre etwas, eine eigene Wohnung zu haben! Das
eigene Privatleben, wo sie entscheiden werden, ob sie abends Freunde zu einer
Party einladen, oder ob sie lieber Staub saugen werden.)
4, 5 – A Diese Überschrift und der erste Satz des dem
Bausparen der jungen Leute gewidmeten Absatzes, will die Vorteile des eigenen
Wohnens möglichst expressiv beschreiben. Die Konjunktivform der Wunschsätze
soll den „Traumcharakter“ unterstreichen; es geht jedoch um den Traum, welcher
dank des Bausparens realisierbar sei. Bemerkenswert ist auch die syntaktische
Form der Mitteilung: Die Überschrift in Frageform und der folgende Ausrufesatz
wirken fast dialogisch, auf diese Weise soll die persönliche Beziehung zu dem
potenziellen Kunden betont werden. Der Gegensatz zwischen einer Party und dem
Staubsaugen soll auch die gewünschte Freiheit bei dem eigenen Wohnen betonen.
(4) Bytové potøeby má každý jiné, úvìr ze
stavebního spoøení je však øešením pro všechny.
Postav dùm, zasaï strom…
(Wohnungsbedürfnisse hat jeder unterschiedliche,
der Kredit aus dem Bausparen ist jedoch die Lösung für jedermann.
Bau das Haus, setz den Baum ein…)
4, 6 Diese zwei
Überschriften der den Krediten bei dem Baussparen gewidmeten Beschreibung
sollen unauffällig seine Vorteile betonen; wichtig ist dass es trotz der
Verschiedenheit der Bedürfnisse die Lösung für alle bringt. Der zweite Satz ist
im Tschechischen eine idiomatisierte Metapher, welche die Lebensaufgabe eines
jeden richtigen Mannes ausdrückt: Es wird da implizit zum Ausdruck gebracht,
dass diese Lebensaufgabe mit der Hilfe
von Bausparen realisierbar sei.
(5) Èáru
života máte dlouhou.
Myslete na to!
(Die Lebenslinie haben Sie lange.
Denken Sie daran!)
4, 5, 6 – A Dieses Motto auf der Titelseite
des der Pensionsversicherung gewidmeten Prospekts soll auf die Wichtigkeit
dieser Versicherung aufmerksam machen. Man nimmt hier ohne weiteres an, dass
der Leser-Kunde lange leben wird, was zwar an sich positiv ist, könnten damit
jedoch finanzielle Probleme verbunden werden – dies wird durch den zweiten Satz
ausgedrückt. Die Imperativform mit dem Ausrufezeichen soll diese Tatsache
besonders unterstreichen. Das Ganze wirkt wie ein gewisses Paradox: Obwohl das
lange Leben gut ist, muss man die eventuellen Komplikationen im Auge behalten.
Expressiv wirkt auch die Metapher der Lebenslinie, die dazu noch aus dem
Bereich der Chiromantie den Beigeschmack eines Geheimnisses mitbringt.
Statistik
Zum
Schluss möchten wir an Hand unserer konkreten Textanalyse eine kleine Statistik
der Ergebnisse darstellen, welche die von uns sehr breit aufgefasste
Expressivität genauer festlegen sollte: Wir haben mit den Ziffern 1 – 6 die
einzelnen Sprachebenen bezeichnet, bei denen wir die Expressivität festzustellen
bemüht waren und als das spezifische Moment haben wir mit dem Buchstaben „A“
den deutlichen Adressatenbezug des entsprechenden Textes markiert.
Die
Ergebnisse haben wir getrennt für die deutschen und die tschechischen Texte
analysiert, wobei wir die den längeren Texten und den Prospekten entnommenen
Beispiele in der jeweiligen Sprache gemeinsam behandelt haben.
Wir haben zwanzig deutsche und vierzehn
tschechische den längeren Texten entnommene Beispiele und in jeder Sprache fünf
aus den Prospekten stammende Beispiele analysiert. In den beiden Sprachen sind
die Ergebnisse sehr ähnlich: Im Deutschen ist das häufigste Merkmal der
Adressatenbezug (16 Fälle), im Tschechischen steht es mit 13 Vorkommen an
zweiter Stelle, was die Häufigkeit angeht. Das zweite häufigste expressive
Merkmal ist im Deutschen die Metaphorik (13 Vorkommen), bei den tschechischen
Beispielen ist dieses Merkmal mit 15 Vorkommen sogar das Häufigste. Dann folgt
in den beiden Sprachen das Merkmal der „expressiven“ Textgestaltung (mit 13
Vorkommen im Deutschen und 5 im Tschechischen). Den nächsten Platz nimmt die
spezifische Syntax ein (10 Beispiele in den deutschen und 5 in den
tschechischen Texten). Das expressive Merkmal, das wir der Lexikologie
zugeteilt haben, kommt in den deutschen Texten siebenmal und in den
tschechischen zweimal vor. Weder in den tschechischen, noch in den
deutschen Texten kein einziges Beispiel
der Expressivität in der Morphologie entdeckt. Es ist uns nicht einmal gelungen
ein Beispiel, das wir der phonologischen Ebene zugeteilt hätten, in den Texten
zu finden. Dies hängt vielleicht damit zusammen, dass wir bei den
„poetisierenden“ Belegen ihrer phonetischen Form keine spezielle Aufmerksamkeit
gewidmet haben.
Aus dieser kleinen Statistik geht deutlich
hervor, dass die Expressivität in den „höheren“ Sprachebenen häufiger ist als
in den „niedrigen“. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass wir – was angedeutet
worden war – die Expressivität nicht nur relativ breit sondern auch komplex
aufgefasst haben.
Diese kleine statistische Zusammenfassung sollte
unsere theoretischen Erörterungen im Hinblick auf die Expressivität der Sprache
illustrierenden Beispiele bewerten; wir sind auf diese Weise bemüht neben den
konkreten Kommentaren zu den einzelnen Beispielen auch ein Resümee
vorzustellen, das dank den statistischen
Angaben eine allgemeinere Gültigkeit anstrebt. Wir sind sowohl bei den
Beispielen, wie auch bei der statistischen Bewertung einerseits von der
deutschen und anderseits von der tschechischen Sprache ausgegangen, so dass
diese kurze Abhandlung auch einen bescheidenen Beitrag zur
deutsch-tschechischen Komparatistik darstellen dürfte
LITERATUR:
BÜHLER, Karl (1935):
Sprachtheorie, Jena.
BOTTENBERG, Ernst Heinrich (1972):
Emotionspsychologie, München.
DÜNKER,
Jeanette(1979): Mimischer Affektausdruck und Sprachliche Kodierung, Zürich.
FRANZ, Ursa (1997): Hintergrund
und Vordergrund in der erinnerten Welt,
München.
JAHR, Silke (2000): Emotionen und
Emotionsstrukturen in Sachtexten. Berlin, New York.
LAKOFF,
JOHNSON (1980): Metaphor we live by, New York.
WEISGERBER
Leo (1962): Grundzüge der inhaltsbezogenen Grammatik. Düsseldorf.
Bibliografický údaj: MIKULOVÁ, A.
Expressivität in Sachtexten. In Brünner Beiträge zur Germanistik
und Nordistik R 8, 2003, s. 95-115.
[1] Franz geht dabei von verschiedenen
Konzepten aus, welche er vergleicht und kritisch beurteilt.
[2] Das Werk von S. JAHR trägt den Untertitel
„Ein interdisziplinärer Ansatz zur qualitativen und quantitativen Beschreibung
der Emotionalität von Texten“.
[3] Wir sehen aus methodologischen Gründen
davon ab, dass in einer Statistik höchst wahrscheinlich nicht die Angabe.
„Während sie es lesen…“, stehen würde.
[4] Diese Auffassung haben in der
amerikanischen Linguistik zuerst Whorf und später Sapir vertreten und deswegen
begegnet man der Bezeichnung Whorf-Sapir-Hypothese.
[5] Wir gehen von der Metapher-Auffassung von
Lakoff und Johnson (vgl. Lakoff, Johnson, 1980) aus, das heißt von einer sehr
breiten Auffassung der Metapher.