PhDr. Anna Mikulová

Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky

Filozofická fakulta Masarykovy univerzity

 

 

SACHTEXTE IN DER LINGUISTIK UND IN DaF

 

Vìcné texty v lingvistice a výuce nìmèiny

 

Texts in the Linguistics and the Teaching of German

 

Schlüsselwörter: Sachtext, Fachtext, Fachwortschatz, Metapher, Dekodierung,                              Syntax, Textlinguistik, Fremdsprachenunterricht, Zeitgeist

 

Klíèová slova: vìcný text, odborný text, metafora, dekódování, syntax, textová lingvistika, cizojazyèné vyuèování, duch doby.

 

Annotation: Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Wesen der Sachtexte (bzw. Fachtexte). Es werden zuerst die Sachtexte unter dem linguistischen Gesichtspunkt  dargestellt, wobei besondere Aufmerksamkeit dem Begriff „Fachwortschatz“ und „Fachwort“  gewidmet ist; kurz wird auch die Nominal- bzw. Realdefinition in den metasprachlichen Teilen in Fachtexten erwähnt. Im Folgenden wird die Metaphernproblematik von Fachwörtern behandelt und der Prozess der Dekodierung von metaphorischen Ausdrücken im Sachtexten diskutiert. Weiter werden die wichtigsten Eigenschaften der Sachtexte unter dem syntaktischen und textlinguistischen Aspekt dargelegt. In einem selbständigen Abschnitt setzt sich die Autorin mit der Problematik der Verwendung von Sachtexten im Fredsprachenunterricht, bzw. im Daf auseinander. Zum Schluss wird noch der Umstand erwähnt, dass manche Sachtexte ein wertvolles Zeugnis von Zeitgeist ablegen können.

 

Anotace: Èlánek se zabývá podstatou vìcných resp. odborných textù. Nejprve pøedstavuje  vìcné texty z lingvistického hlediska,  pøièemž je vìnována zvláštní pozornost pojmu odborná slovní zásoba a odborný název; krátce je rovnìž zmínìna nominalistická a realistická definice v metajazykových èástech vìcných textù.   Dále se èlánek zabývá problematikou metaforiky odborných výrazù a procesem jejich dekódování ve vìcných textech. V další èásti jsou pøedstaveny nejdùležitìjší vlastnosti vìcných textù z hlediska syntaxe a textové lingvistiky.

Zvláštní oddíl vìnuje autorka problematice využívání vìcných textù ve výuce cizím jazykùm, resp. ve výuce nìmèiny, a na závìr se zmiòuje o tom, že vìcné texty mohou být cennými svìdky ducha urèité epochy.

 

SACHTEXTE IN DER LINGUISTIK UND IN DaF

 

0. Vorbemerkungen

Was das Wesen der Sachtexte ausmacht? In der einschlägigen Fachliteratur wird in der Regel zwischen den narrativen und deskriptiven  Textformen unterschieden (vgl. FRANZ, 1997, 121 ff.).  FRANZ geht hier von verschiedenen Konzepten aus, welche er vergleicht und kritisch beurteilt. Während für die narrativen Texte die Tempusstruktur von Belang ist, sind für die anderen die temporalen Verhältnisse nicht ausschlaggebend. Was die Rolle des Tempus bei den narrativen und nicht-narrativen Texten angeht, kann es auch davon ausgegangen werden, dass für die narrativen Texte die Vergangenheitstempora (vor allem das Präteritum) typisch sind, während für die nicht-narrativen das Präsens, das wir als das „merkmallose“ Tempus auffassen dürften; dies hängt mit der „atemporalen“ Struktur  dieser Texte zusammen.

            WERLICH unterscheidet weiter die nicht-narrativen Textsorten je nach dem, was für den Sprecher als für den jeweiligen Typ als konstitutiv anzusehen ist: neben der Narration, wo – als schon bemerkt worden war – Geschehen in der Zeit am wichtigsten sei, liegen bei der Deskription Erscheinungen im Raum im Zentrum der Aufmerksamkeit, im Falle der Exposition gehe es auf die Komposition bzw., Dekomposition von begrifflichen Vorstellungen an, bei der Argumentation haben wir es mit der Relationen zwischen Begrifflichen Vorstellungen der Sprecher zu tun und schließlich bei der Instruktion wird das Augenmerk auf zukünftiges Verhalten des Hörers gerichtet (vgl. WERLICH, 1971, 121).

               In unseren Erörterungen, wo wir vorhaben, das Phänomen der Sachtexte genauer vorzustellen, werden wir keinen Unterschied zwischen den Begriffen Sachtext und Fachtext machen, wir verwenden diese zwei Termini weitgehend synonym. Es liegt auf der Hand, man könnte zwischen ihnen eine Trennungslinie ziehen, es ist jedoch für die Zwecke unserer Abhandlung nicht notwendig, und deswegen verzichten wir auf diese feine Unterscheidung.

 

1. Sachtexte unter dem linguistischen Gesichtspunkt

Nachdem wir eine völlig allgemeine Charakteristik dessen, was wir unter dem Begriff Sachtext verstehen, vorgelegt hatten,  möchten wir einige Schwerpunkte behandeln, die für die Sachtexte von dem linguistischen Gesichtspunkt her von Belang sind. Man muss – ähnlich wie bei allen anderen Texten – die einzelnen Sprachebenen im Auge behalten: während sowohl die phonologische, wie auch die morphologische Ebenen in unserer Analysen weitgehend außer Acht gelassen werden, ist für uns die Ebene des Wortschatzes der entsprechenden Texte sehr wichtig und zugleich werden wir bemüht sein, den grammatischen Bau dieser Texte (d.h. vor allem ihre Syntax und bzw. auch die Morphologie) vorzustellen.  Der Charakteristik von Sachtexten unter dem Gesichtspunkt der Textlinguistik werden wir ein selbständiges Kapitel widmen. Zuerst möchten wir unsere Aufmerksamkeit dem Wortschatz zuwenden

 

1.1.  Wortschatz

Man sollte zuerst versuchen, eine Definition des Wortschatzes vorzulegen; Thorsten ROELCKE ist bemüht eine Definition des Fachwortschatzes zu formulieren: „Ein Fachwort ist hiernach die kleinste bedeutungstragende und zugleich frei verwendbare sprachliche Einheit eines fachlichen Sprachsystems, die innerhalb der Kommunikation eines bestimmten menschlichen Tätigkeitsbereich im Rahmen geäußerter Texte gebraucht wird. Und ein Fachwortschatz ist die Menge solcher kleinster bedeutungstragender und zugleich frei verwendbarer sprachlicher Einheiten eines fachlichen Sprachsystems, die innerhalb der Kommunikation eines bestimmten menschlichen Tätigkeitsbereich im Rahmen geäußerter Texte gebraucht werden“ (ROELCKE, 1999, 51-52). Wir haben schon bemerkt, dass wir den Terminus Sachtext durchaus synonym mit dem Fachtext, und somit dürfte diese „strukturalistische“ Definition vom Fachwort unseren Zwecken gut entsprechen.

               Neben der Definition des Fachwortes, bzw. des Fachwortschatzes bringt ROELCKE auch einen Entwurf der Einteilung der Lexik in Fachtexten: er gliedert den Wortschatz in vier Gruppen – die des sog. intrafachlichen Wortschatzes (d.h. solche Worte, die ausschließlich der betreffenden Fachsprache angehören); zweitens gibt es den sog. interfachlichen Fachwortschatz (d.h. solche Ausdrücke, die sowohl in dem betreffenden als auch in anderen fachsprachlichen Systemen vorkommen); drittens spricht er über den sog. extrafachlichen Wortschatz (d.h. die Worte, die anderen fachsprachlichen Systemen zugehören, aber dennoch in Fachtexten des gegebenen Faches geäußert werden) und als die vierte Gruppe wird der sog. nichtfachlicher Wortschatz genannt (d.h. die allgemeinen und fachlich nicht weiter geprägten Wörter), (vgl., ebd., 52). Diese Einteilung des Fachwortschatzes ist für unsere Zwecke von Belang, denn sie eine linguistische Analyse des Wortschatzes der Texte ermöglicht, wobei auch unter dem didaktischen Gesichtspunkt diese Gliederung ihre Berechtigung hat, denn sie ist ein Ausgangspunkt für die Darstellung des Fachwortschatzes im Fremdsprachenunterricht.

              Nachdem wir bemüht waren, die allgemeine Charakteristik des Fachwortes bzw. –Wortschatzes vorzulegen, möchten wir nun eine genauere Definition dieses Phänomens anbieten. Der von uns zitierte Autor ROELCKE bemerkt, dass zu den wichtigen Merkmalen von Fachsprachen die metasprachlichen Äußerungen gehören (ROELCKE, 1999, 53). ROELCKE schreibt in diesem Zusammenhang auch über zwei grundlegenden Typen von Definitionen: es sind die Nominal- und Realdefinitionen. Die Nominaldefinition bringt die sprachliche Festlegung einer sprachlichen Bedeutung, während die Realdefinition die sprachliche Festlegung eines übereinzelsprachlichen Begriffs beinhaltet (vgl. ROELCKE, 1999, 54). In diesem Zusammenhang sind auch die zwei Sprach- bzw. Fachsprachauffassungen von Belang, von denen die entsprechenden Definitionen ausgehen; die Nominaldefinition entspricht der Sprachauffassung, nach der die konkrete Sprache das Wahrnehmen der Welt durch den Menschen weitgehend determiniert; die Realdefinition dagegen setzt diejenige Sprachauffasung voraus, nach der  die außersprachliche Wirklichkeit  die menschliche Sprache selbst bestimmt. Diese zwei unterschiedlichen Sprachauffassungen sind in unserem Zusammenhang in dem Sinne bedeutend, dass man sich bei der Analyse des Sprachmaterials in der Regel für die eine oder die andere Konzeption entscheiden muss. Es dürfte jedoch zugegeben werden, dass man in der Regel zwischen  den beiden Extremen in der Auffassung der Sprache oszilliert und sich je nach dem konkreten Charakter des besprochenen Denotats und Designats der einen oder anderen Pole zuwendet.

             Nach dieser definitorischen Festlegung des Fachwortes und Fachwortschatzes möchten wir einige wichtigen Merkmale dieser Erscheinung aufzählen. Es wird allgemein vorausgesetzt, dass zu den wichtigsten charakteristischen Zügen eines Fachwortes seine Exaktheit gehöre. Unter der Exaktheit wird der möglichst eindeutige Bezug des fachsprachlichen Ausdrucks zu seinem Denotat verstanden. Neben diesem Bezug ist für die Exaktheit des Fachwortes noch ein Moment von Belang: diese Exaktheit ergebe sich nämlich nicht nur aus der Stellung des entsprechenden Fachausdrucks im Rahmen des Systems des Fachwortschatzes, sondern auch aus dem richtigen Wortgebrauch im Fachtext. Durch diesen Gebrauch befreit sich der entsprechende Fachausdruck von seiner Allgemeinheit und enthält die gewünschte Exaktheit. Fast jeder Fachausdruck verweist nämlich einen gewissen Grad an Vagheit und gerade diese Vagheit wird das Fachwort erst durch den richtigen Gebrauch in dem entsprechenden Kontext des  Fachtextes los.

             Mit der besprochenen Problematik hängt auch die Frage der fachsprachlichen Polysemie und Synonymie eng zusammen. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass sowohl die Polysemie, wie auch die Synonymie in den Fachtexten zu den regelrechten Erscheinungen gehören, obwohl dies vielleicht auf den ersten Blick in einem gewissen Gegensatz zu der gewünschten Eindeutigkeit der Fachausdrücke steht. Dies hängt einerseits mit dem steigernden Bennenungsbedarf innerhalb einzelner Fächer, anderseits mit den verschiedenen Kommunikationstypen oder Textsorten und nicht zuletzt mit den assoziierenden Bedeutungen zusammen (vgl. ROELCKE, 1999, 66).

               Obwohl wir die Bedeutung des Kontexts für die Festlegung des Fachwortes betont haben, sollte hinzugefügt werden, dass für die Exaktheit, bzw. Eindeutigkeit des Fachausdruckes seine Autonomie von Belang ist. Unter dem Begriff der Autonomie wird die Unabhängigkeit des Fachwortes von dem Kontext verstanden, die ihm ermöglicht, in verschiedenen Kontexten mit dem gewünschten Grad der Exaktheit und Eindeutigkeit aufzutreten.

 

1.1.1. Metaphorik von Fachwörtern

 Man hat lange Zeit  Verwenden von Metaphern im Bereich der Faxtexte für unangebracht gehalten, denn die Bedeutung von Metaphern nicht bereits im Sprachsystem gegeben sei, sondern erst im Kontext deutlich werde. Man dürfte hier jedoch einwenden, dass es ausgesprochen fachsprachliche Metaphern gibt, die nicht kontextabhängig sind. Man dürfte an dieser Stelle das inzwischen klassisch gewordene, der Metapherproblematik gewidmete Werk Metapher we live by von LAKOFF und JOHNSON erwähnen, wo die Autoren bemüht sind zu beweisen, dass Metaphern das gesamte sprachliche Darstellung der Wirklichkeit durchdringen; der Bereich von Fachsprachen bildet da offensichtlich keine Ausnahme. J. BENEKE macht darauf aufmerksam, dass uns die Beschäftigung mit Metaphern zu kognitionspsychologischen und sprachanalytischen Fragestellungen führt, bzw. zu der Frage, ob unsere Sprache unsere Erkenntnisse steuert – die diese Frage bejahende  Auffassung der Sprache ist in der Linguistik unter dem Namen Sapir-Whorf-Hypothese bekannt (BENEKE, 1988, 199). Diese Fragen führen uns allerdings zurück zu der Unterscheidung der Nominal- und Realdefinition und zur daraus folgenden Sprachauffassungen.

                   BENEKE beschäftigt sich in seinem der Problematik der Metaphorik gewidmeten Beitrag der Frage der Dekodierung von Metaphern (vgl. BENEKE, 1988, 201). Bei  der Dekodierung einer Metapher gibt es für den Hörer grundsätzlich zwei Situationen: Erstens handelt es sich um eine lexikalisierte Metapher, in diesem Falle entschlüsselt man sie wie bei anderen lexikalischen Einheiten, d.h. dass man dem metaphorischen Designat das entsprechende Denotat zuteilt; falls es sich jedoch um eine nicht lexikalisierte Metapher handelt, muss der Hörer/Leser die Beziehung zwischen dem metaphorischen Designat und dem entsprechenden Denotat wirklich selbst dekodieren. BENEKE führt in diesem Zusammenhang ein Beispiel von K. BÜHLER, wo die – allerdings auch lexikalisierte – Metapher  „Salonlöwen“ erörtert wird. Nach BÜHLER bestehe die Dekodierung in der aktiven Hypothesenbildung des Hörers, der bemüht sich eine plausible Erklärung der Metapher festzulegen (vgl. BENEKE, 1988, 201). Bei den Metaphern in Fachtexten ist die ganze Situation umso komplizierter, dass die erfolgreiche Dekodierung in hohem Maße mit den Fachkenntnissen des Hörers/Lesers zusammenhängt. Das gleiche gilt auch für die Problematik der metaphorischen Fachtexte im Fremdsprachenunterricht.

                  Wir gestatten uns das von uns schon zitierte klassische Werk über Metapher – Mataphors we live by – noch einmal zu erwähnen. Die LAKOFFs und JOHNSONs Definition der Metapher ist sehr breit: „The essence of metaphor is understanding and experiencing one kind of thing in terms of another“, (LAKOFF/ JOHNSON, 1980, 12). Die Metaphern sind sehr wichtig für Erkenntnisprozesse und bestimmen in hohem Maße das gesamte Wahrnehmen der Welt. Diese Metaphertheorie entspricht wohl gut der Auffassung der Sprache als Filter, der das Wahrnehmen der Wirklichkeit bestimmt. Auch die Konzeption LAKOFFs und JOHNSONs behauptet im Prinzip, dass unser gesamte Erkennen und Wahrnehmen der Welt in einem Metaphergefüge verankert sei. Im gewissen Sinne könnte man anerkennen, dieses Gefüge kann das Verstehen von Fachtexten  erleichtern, gerade wenn in diesen Texten Metaphern vorkommen, die nicht den Sinn des Textes verschleiern, wie man lange geglaubt hatte, sondern ihn im Gegenteil verständlich und anschaulich machen. Es liegt auf der Hand, dies sollte im Fremdsprachenunterricht benutzt werden.

                   Gerade dank ihrer wichtigen Rolle in der menschlichen Psyche können jedoch Metaphern auch gefährlich sein. BENEKE führt das Beispiel der DARWINs Metapher des „Überlebens des Tüchtigsten“, die später aus dem Bereich der Biologie auf den des sozialen Lebend übertragen wurde, und für die rassistischen Theorien des Nationalsozialismus missbraucht wurde (vgl., BENEKE, 1987, 204). Solche verheerende Macht kann die Sprache haben. Uns interessieren die Metaphern in Fachtexten, hier ist die Situation umso gefährlicher, dass man an die „Objektivität“ dieser Texte glaubt, und die in ihnen vorkommenden Metaphern viel „wörtlicher“ versteht als z.B. die Metaphern in den dichterischen Texten (vgl. das Darwin-Beispiel).

                   ROELCKE führt das für unseren Zusammenhang interessante Beispiel der Sprache der Technik an, wo die entsprechenden metaphorischen Ausdrücke dreier Modellen entnommen werden: dem menschlichen bzw. tierischen Körper; der menschlichen Psyche und Intelligenz und schließlich der Alltagsmechanik (vgl. ROELCKE, 1999, 68-69).  Man könnte in diesem Sinne den verschiedenen Fachsprachen die verschiedenen Metaphernbereiche zuteilen. Dieses Moment des Fachwortschatzes ist bestimmt auch für den Fremdsprachenunterricht interessant, denn gerade in diesen Metaphernbereichen der einzelnen Fachsprachen können wesentliche Unterschiede zwischen den Sprachen bestehen.

 

1.2. Grammatik der Sachtexte

Während der Fachwortschatz, bzw. die Fachmetaphorik  zu charakterisieren leicht fällt, und man könnte darüber vielmehr sagen, als wir es getan haben, sind nach ROELCKE: „Fachliche Spezifika auf der Ebene der Grammatik demgegenüber deutlich weniger präsent und wurden dementsprechend von wissenschaftlicher Seite bislang verhältnismäßig selten untersucht“ (ROELCKE, 1999, 71).  Die für die Fachtexte typischen grammatischen Erscheinungen sind die Infinitivkonstruktionen, Partitipialkonstruktionen, Elipsen, Appositionen, Aufzählungen und Asyndese, die mit einer Senkung der Gliedsatzkomplexität und einer Erhöhung der Satzgliedkomplexität einhergehen und nicht zuletzt  valenzspezifische Verbformen (vgl. ROELCKE, 1999, 84). Man muss jedoch in diesem Zusammenhang bemerken, dass der Umstand, der das Festlegen von typischen grammatischen Strukturen sehr schwierig macht, ist die Tatsache, dass wir den Terminus „Sachtext“ in unserer Konzeption sehr breit auffassen; für eine genauere Analyse der Grammatik wäre es notwendig, die einzelnen Textsorten von Sachtexten genauer einzustufen.

                 Diese grammatischen Erscheinungen gelten wie bekannt als typisch für den sog. Wissenschaftlichen Stil. Man dürfte auch bemerken, dass man bemüht sein sollte, mit diesen grammatischen Konstruktionen die Schüler in DaF sowohl theoretisch, wie auch praktisch bekannt zu machen, so dass sie sie sowohl passiv, als auch aktiv zu beherrschen vermögen.

 

2. Sachtexte unter dem Gesichtspunkt der Textlinguistik

In den Sachtexten erkennt man ähnliche Textmerkmale wie bei anderen Texten: Kohäsion, Kohärenz, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität. Bei der Kohäsion handelt es sich um den formalen Zusammenhang, um den funktionalen Zusammenhang bei der Kohärenz. Diese Zusammenhänge finden sich auf verschiedenen Ebenen, d.h. einerseits zwischen verschiedenen Sätzen oder Bildeinheiten (Textmikrostruktur) und anderseits zwischen Einheiten, die jeweils aus mehreren Sätzen oder Bildsequenzen bestehen (Textmakrostruktur), (ROELCKE, 1999, 87).

 

2.1. Makrostruktur

Die formale Gesamtheit des Textes stellt lineare Folge von Texteinheiten dar, die insgesamt eine hierarchische Struktur bilden. Zu den charakteristischen Merkmalen der Makrostruktur von Fachtexten gehören u. a. Anmerkungen und Fußnoten, wörtliche und sinnengemäße Zitate, Titel und Untertitel sowie Textverweise; des weiteren Abstracts und Zusammenfassungen, Inhalts-, Literaturverzeichnisse. Wichtig sind auch solche Einheiten auf Wort-, Satz- oder Textebene, welche den Beginn und den Schluss des Textes, bzw. der Texteile signalisieren (ROELCKE, 1999, 91).

          Ebenso charakteristisch für die Makrostruktur von Fachtexten sind die typographischen Merkmale: z.B.: Unterstreichen oder Kursiv-Schreiben zur Hervorhebung, Kapitälchen- oder Großbuchstabenschreiben, bzw. Fettdruck bei den Eigennamen oder Werktiteln.

 

2.2. Mikrostruktur

Für die Mikrostruktur eines Fachtextes – ähnlich wie bei anderen Texten – ist die Unterscheidung zwischen Thema und Rhema von Belang. Unter dem Thema wird in den Fachtexten das Bekannte, bzw. Vorerwähnte verstanden, während unter dem Rhema das Unbekannte, bzw. das Noch-nicht-Erwähnte. Es gibt verschiedene Modellen der Thema-Rhema-Folge: am einfachsten ist dabei die Folge, wo das Thema des voranstehenden Satzes das Rhema des Folgesatzes bildet usw.; weiter kommen in den Fachtexten solche Thema/Rhema-Strukturen vor, bei denen an das sog. gespaltene Thema verschiedene fortschreitende oder verbleibende Thema/Rhema-Strukturen angehängt werden  (vgl. ROELCKE, 1999, 94-95).

                 Zu den weiteren wichtigen Momenten der Mikrostruktur von Fachtexten gehören die folgenden Verfahren: einfache Wiederholung, Gebrauch von Pro-Formen, Transformierende Wiederholung, Paraphrasierung, Gebrauch von Synonymen, Gebrauch von Hyponymen und Hyperonymen und Gebrauch von Antonymen (vgl. ROELCKE, 1999, 98).

 

2.3. Weitere Texteigenschaften

Zu den weiteren Textmerkmalen, die wir behandeln möchten, gehören die oben erwähnten charakteristische Eigenschaften der Texte: Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität, Intertextualität und Objektivität (vgl. ebd.).

               Die Intentionalität von Fachtexten besteht darin, dass der Textproduzent mit dem entsprechenden Text das Ziel verfolgt, einem Rezipienten bestimmte Sachverhalte darzustellen.

               Die Akzeptabilität liegt in der Erfüllung der kommunikativen Anforderungen des Rezipienten innerhalb der fachlichen Kommunikation. Dieser Punkt finden wir anregend: z.B. im Falle von Gebrauchsanleitungen und anderen Instruktionstexten hängt das tatsächliche Verstehen durch den Rezipienten weitgehend von seinen (technischen) Vorkenntnissen ab.

               Die Informativität des Fachtextes hängt mit der fachlichen und sprachlichen Kompetenz des Rezipienten zusammen; bei der hohen Kompetenz ist sie gering, bei geringer Kompetenz dagegen hoch.

               ROELCKE unterscheidet im Hinblick auf die Situationalität der Fachtexte vier Gesichtspunkte: erstens der Fachbereich in seiner horizontaler und vertikaler Einordnung und somit die spezifische Information oder Instruktion des fachlichen Text selbst; zweitens geht es in diesem Zusammenhang um die situative Abhängigkeit der Fachtexte von der fachlichen und sprachlichen Produktions- und Rezeptionskompetenz. Drittens tragen auch sprachliche und semiotische Erscheinungen zur Situationalität von Fachtexten bei, hierher gehört die Unterscheidung zwischen schriftlicher und mündlicher Kommunikation, die Wahl der Textsorte. Und viertens gehört auch der außersprachliche Kontext zu den situativen Bedingungen fachlicher Kommunikation.             

                Die Intertextualität von Fachtexten besteht darin, dass andere Texte oft wörtlich oder sinngemäß im gegebenen Fachtext wiedergegeben werden. Darüber hinaus steht jeder Fachtext in der Tradition zahlreicher anderer Fachtexte.

                Das letzte charakteristische Merkmal von Fachtexten – deren Objektivität – muss man eher nur für relativ gültig halten: die Objektivität fachsprachlicher Äußerungen hängt mit von den Menschen ab, die sie produzieren und dabei in zahlreichen kulturgeschichtlichen Zusammenhängen verankert sind. Die Relativität der Objektivität der Fachtexte haben wir schon im Zusammenhang mit der darwinschen Metapher erwähnt.

 

3. Sachtexte in DaF

Der Fremdsprachenunterricht stützt sich seit je auf die Arbeit mit Texten; sie stellen nicht nur die Grundlage für das Leseverstehen, sondern auch eine Vorlage für das selbständige Sprechen und Schreiben, und nicht zuletzt stellen sie eine Quelle der Erkenntnis des Zielsprachenlandes dar. In der moderneren Geschichte des Fremdsprachenunterrichts wurden jedoch echt unterschiedliche Texttypen benutzt. Im ausgehenden XIX. Jh., d.h. als die Grammatik-Übersetzungs-Methode (HEYD, 1991, ff) die vorherrschende Methode des Fremdsprachenunterrichts war, waren es vor allem die literarischen Texte, mit Hilfe deren nicht nur die Fremdsprache, sondern auch die gesamte Kultur des Zielsprachenlandes den Schülern vermittelt wurde (vgl. NEUNER/ HUNFELD, 1993, 19 ff.). Später gewinnt allmählich an Intensität die Tendenz, nicht mehr mit den literarischen sondern mit den sog. „authentischen“ Texten zu arbeiten. Länge Zeit – als die direkten und audiolingualen, bzw. audiovisuellen Methoden ausschlaggebend waren – war der grundlegende Texttyp des Fremdsprachenunterrichts der sog. Allzwecktext, der vor allem als eine gewisse „Illustration“ der entsprechenden Grammatik diente; zu den Zwecken der Konversationsunterricht war auch die sog. „Lehrbuchfamilie“ beliebt, d.h. dass in den einzelnen Lehrbuchtexten immer die Mitglieder einer Familie auftraten.

                  Erst als die kommunikativ-pragmatische Methode die wichtigste Methode des Fremdsprachenunterrichts zu sein begann, tauchen im Fremdsprachenunterricht die Texte auf, denen unsere Aufmerksamkeit gilt, d.h. die Sachtexte. Zugleich mit der Entwicklung der Textlinguistik wächst die Bemühung den Schülern auch die allgemeinen Regeln im Hinblick darauf vorzustellen, was es eigentlich ein Text ist, welche sind seine Bausteine und wie ein Text funktioniert. Angefangen hat man mit echt einfachen Texten: z.B. Kochrezepten, Fahrplänen, kurzen Anleitungen, Überschriften usw., diese einfachen Sachtexte sind auch später beliebt geblieben, denn man kann mit ihnen schon im Anfangsunterricht arbeiten und zugleich verfügen sie über alle Textmerkmale. Später sind auch die publizistischen Texte populär geworden. Man kann etwa übertrieben sagen, dass die heutigen Fremdsprachenlehrbücher wie Sammlungen von verschiedensten Prospekten, Zeitungsartikeln und anderen Sachtexten aussehen, und die Grammatik  versteckt sich irgendwo am Rande.

            Nachdem wir die Geschichte der Sachtexte im Fremdsprachenunterricht vorgestellt hatten, möchten wir nun etwas mehr zu diesen Texten in DaF sagen: es liegt auf der Hand, dass für den wirksamen Fremdsprachenunterricht die Wahl eines richtigen Textes von Wichtigkeit ist. Es ist also angebracht, Kriterien für Beurteilung der Sachtexte festzulegen; ich gehe hier vom D. Urbans  Werk Text-Design aus. D. Urban legt drei Punkte fest, welche bei der Beurteilung des Sachtextes beachtet werden sollten: Form, Inhalt und Resonanz.  Diese drei Kriterien bestimmen Verständlichkeit und Rezeptionsfreundlichkeit.“ (URBAN, 1982, 62). Für die Form ist die Qualität der Syntax – d.h. die Klarheit der Formulierung und des Aufbaus, auch der Inhalt muss klar formuliert sein; unter der Resonanz wird Effektivität oder dagegen Wirkungslosigkeit verstanden (vgl. URBAN, 1982, 64).

          Neben diesen Beurteilungskriterien, die – man kann sagen – allgemeine Gültigkeit im Hinblick auf Texte haben, gibt es bei der Beurteilung der Qualität eines Sachtextes Momente, die für den Fremdsprachenunterricht von Belang sind: hierher gehört zunächst die Adäquatheit des betreffenden Textes für den gegebenen Unterrichtszweck, der Lehrer sollte im Bezug auf die Frage der Adäquatheit des entsprechenden Textes das Lernziel, die Länge des Textes aber auch die angenommene Einstellung der Schüler zu diesem Text erwägen. Für die Einwirkung des Textes in Daf sind nämlich auch außersprachliche Momente wichtig: z.B. das Alter der Schüler, das Niveau ihrer Sprachkenntnissen, ihre Interesse, Ausbildung usw., daneben sind auch weitere Texteigenschaften maßgebend: z.B. sein Thema, seine Textsorte und nicht zuletzt auch sein Stil und Umfang. Alle genannten Textmerkmale und Gegebenheiten sollte der Lehrer bei der Wahl des geeigneten Textes für den Fremdsprachenunterricht im Auge behalten.

          Schließlich möchte ich noch einer Bemerkung zur Rolle gerade von den Sachtexten in Fremdsprachenunterricht machen: diese Texte sind aus mehreren Gründen für den Fremdsprachenunterricht besonders geeignet: erstens verfügen sie über alle Textmerkmale, was sowohl für das Leseverstehen wie auch für das Trainieren von Schreiben und Sprechen benutzt werden kann, zweitens sind sie praktisch und für die Schüler unmittelbar zu gebrauchen – jeder muss z.B. ab und zu einen fremdsprachigen Fahrplan, oder eine Fremdsprachliche Gebrauchsanleitung verstehen. Und nicht zuletzt kann man mit Hilfe dieser Texte sehr gut einige kulturelle Unterschiede zwischen der Kultur der Muttersprache und der der Zielsprache demonstrieren, denn es gibt in jeder Kultur im Hinblick auf die Sachtexte spezifische Konventionen.

 

4. Sachtexte als Zeugen der Zeit

Zum Schluss meines Beitrags zur Problematik der Sachtexte, bzw. Fachtexte gestatten Sie mir, bitte, noch ein Paar Worte zur Stellung der Sachtexte so zu sagen in der Geschichte zufügen. Es geht mir nicht darum, die Geschichte der Sachtexte verfolgen zu wollen, sondern umgekehrt ihre Rolle in der Geschichte, d.h. ihre Rolle als Zeugen der Zeit kurz darzustellen.

             Am Anfang haben wir Sachtexte im Gegensatz zu den literarischen Texten festgelegt. Niemand zweifelt daran, die Literatur sei ein spezifisches Zeugnis der Zeit, es ist einer der Aufgabe der Literaturgeschichte den Zusammenhang gerade zwischen diesem Zeugnis der Zeit durch die Literatur und der Geschichte zu beleuchten. Die Literatur stellt jedoch immer ein individuelles, d.h. subjektives Zeugnis der Zeit dar, im Gegensatz dazu besteht dass eigentliche Spezifikum der Sachtexte darin, dass sie – wir könnten etwas übertriebe sagen – den Zeitgeist objektiv darzustellen vermögen. Dies hängt damit zusammen, dass sie den praktischen Zwecken – in der Verwaltung, dem ökonomischen Bereich, ev. in der Publizistik – dienen und auf dieser Weise das alltägliche Leben der jeweiligen Zeit illustrieren. Die Stellung der Publizistik ist allerdings  spezifisch, denn sie verweist gemeinsame Züge sowohl mit den Sachtexten, wie auch mit den narrativen Genres der Belletristik. Eine genauere Unterscheidung der Sachtexte von den publizistischen Textsorten oder eventuelles Festsetzen ihrer charakteristischen Züge würden allerdings den Rahmen dieses Artikels überschreiten.  Das Zeugnis der Zeit in den Sachtexten kann sehr aussagekräftig sein; es hängt mit ihrer Objektivität zusammen, sie sind keine Kommentare zu den Geschehnissen, sie sind – metaphorisch gesagt – die stummen Zeugen, dessen Aussage sehr durchschlagend ist.

                 Als ein sehr beeindruckendes Beispiel der Sachtexte, die gerade mit der Absicht gesammelt worden waren, das Zeugnis der Zeit, die keineswegs gut war, anzubieten,  machen wir auf die umfangreiche Sammlung von H.G. ADLER Der verwaltete Mensch aufmerksam. Der Autor war da bemüht an Hand von zahlreichen Texten aus dem Bereich der nazistischen Verwaltung jene grausame Zeit praktisch ohne eigenen Kommentar vorzustellen. Es ist ihm sehr gut gelungen und das Ergebnis ist ein erschütternder Bericht über Grauen jener Zeit, der – gerade dank der Objektivität der gesammelten Sachtexte, welche originelle  Dokumente und keine Beschreibungen, bzw. Stellungnahmen der späteren Zeit sind – viel eindrucksvoller ist als manche blutige Schilderungen, oder Zeugnisse der schöngeistigen Literatur.    

 

         Wir waren in unserem Beitrag bemüht zuerst den Begriff der Sach- bzw. Fachtexte festzulegen, dann ihre Stellung im Rahmen der Linguistik vorzustellen, ihre spezifischen Züge unter dem Gesichtspunkt der Textlinguistik zu nennen, ihre Rolle in DaF darzustellen und schließlich ihre Rolle als Zeugnisse der Zeit kurz zu skizzieren

 

LITERATUR:

ADLER, Hans Georg (1974): Der verwaltete Mensch, Tübingen.

BÜHLER, Karl (1935): Sprachtheorie, Jena.

BENEKE, Jürgen (1988): Metaphorik in Fachtexten. In: ARNETZ, Reiner (Hrsg.): Textlinguistik und Fachsprache, Hildesheim.

FRANZ, Ursa (1997): Hintergrund und Vordergrund  in der erinnerten Welt, München.

HEYD, Gertraude (1991): Deutsch lehren, Frankfurt am Main.

LAKOFF, George& JOHNSON, Mark (1980): Metaphor we live by, New York.

NEUNER, Gerhard &  HUNFELD, Hans (1993): Methoden des fremdsprachlichen Deutschunterrichts. Eine Einführung, Kassel.

ROELCKE, Thorsten (1999): Fachsprachen, Berlin.

URBAN, Dieter (1987): Zur Gestaltung bildsprachlicher Kommunikation, München.

WERLICH, Egon (1971): Wörterbuch der Textinterpretation. Dortmund

Bibliografický údaj: MIKULOVÁ, A. Sachtexte in der Linguistik und in Daf. In KORÈÁKOVÁ, Jana, BEYER, Jürgen (eds.) Königgrätzer Linguistik- und Literaturtage Hradec Králové: Gaudeamus, 2003. s. 338 - 346.