Doc.
PhDr. Jaromír Zeman, CSc.
Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky
Filozofická
fakulta Masarykovy univerzity
Satzrahmen,
Satzbaupläne und deutsche Wortstellung
Vìtný
rámec, vìtné vzorce a nìmecký slovosled
Schlüsselwörter:
Annotation: Der Artikel beschäftigt sich mit dem Zusammenwirken der Satzbaupläne und
der Wortstellung bei der Gestaltung deutscher Sätze im konkreten Akt der
mündlichen sowie schriftlichen Kommunikation. Es wird gezeigt, dass der
Satzrahmen keinerlei Schwierigkeiten für die Kommunikation bereitet. Hingegen
stellt er sowohl beim Dolmetschen als auch im fremdsprachlichen Unterricht ein
großes Problem dar.
Anotace: Èlánek se zabývá
souvislostmi mezi vìtnými vzorci a slovosledem pøi utváøení nìmeckých vìt v
konkrétním aktu mluvené i psané komunikace. Je ukázáno, že vìtný rámec nepùsobí
pøi komunikaci žádné potíže. Naproti tomu se pøi tlumoèení a výuce nìmèiny pro
cizince jeví jako znaèný problém.
Satzrahmen,
Satzbaupläne und deutsche Wortstellung
Wenn ein Tscheche Deutsch lernt, wird er gleich zu Beginn
des Lernens - meistens bereits in den ersten zehn Lektionen - durch bestimmte
topologische Besonderheiten des Deutschen, wie z.B. die Stellung der infiniten
Prädikatsteile, der trennbaren Präfixe und der Negationspartikel nicht im Satz sowie durch weitere
Eigentümlichkeiten der Wortfolge überrascht, wenn nicht gar irritiert. Es
handelt sich dabei zwar um keine unbegreiflichen Phänomene, wenn sie aber beim
Sprechen "automatisch eingesetzt" werden sollen, erfordert ihre
Bewältigung beträchtliche Anstrengungen. Zweifellos entsteht dabei der
Eindruck, die deutsche Sprache sei in diesem Bereich sehr kompliziert, und
diesen Eindruck wird der Tscheche mit den Sprechern anderer europäischer
Sprachen teilen - einschließlich der germanischen, das Niederländische freilich
ausgenommen. Allgemein bekannt und berühmt sind die kritischen Äußerungen an
die Adresse der deutschen Wortstellung aus der Feder Mark Twains.[1] In
einem Nachwort zu seiner Reisebeschreibung A
Tramp Abroad mit dem bezeichnenden Titel The Awful German Language faßt er seine Erfahrungen mit deutschen
Sätzen in folgenden Worten zusammen:
An average sentence, in a German newspaper,
is a sublime and impressive curiosity; it occupies a quarter of a column; ...
it treats of fourteen or fifteen different subjects, each enclosed in a
parenthesis of its own ... finally, all the parentheses and reparentheses are
massed together between a couple of king parentheses, one of which is placed in
the first line of the majestic
sentence and the other in the middle of the last line of it - after which
comes the VERB, and you find out for the first time what the man has been
talking about; and after the verb - merely by way of ornament, as far as I can
make out - the writer shovels in haben sind gewesen gehabt haben geworden
sein, or words to that effect, and the monument is finished.
(Mark Twain, The
Awful German Language)[2]
Wir meinen, daß M.Twain in seinem Bestreben nach
Anschaulichkeit mit seiner Kritik am deutschen Satz etwas übertreibt, im
Prinzip würden wir ihm aber zunächst zustimmen. Doch entspricht auch in einem
Teil seines Satzes, nämlich in dem Nebensatz what the man has been talking about die Wortfolge
nicht ganz unseren Erwartungen. Die Präposition about wandert darin an die Stelle hinter dem Verb und befindet sich
daher am Ende des Satzes. So erscheint es zumindest auf Grund der tschechischen
Übersetzung o èem ten èlovìk mluví (= wovon der Mensch redet). In den Augen der generativen Grammatik (GB), die vorwiegend auf der Basis
des Englischen konstruiert ist, wird hingegen das Pronomen (= W-Wort) what "in die CP-Spec-Position
bewegt", wobei es in der Tiefenstruktur (= d-structure) eine Spur (trace)
hinterläßt,[3] von
der freilich der Hörer/Leser keine Ahnung hat. Unsere Bemerkung zu den
Ansichten Mark Twains ist nicht als Kritik an seiner "Betrachtung"
des deutschen Satzes zu verstehen. Vielmehr soll sie die nur relative Gültigkeit
solcher Betrachtungen vor Augen führen. Nach unserem Verständnis ist doch die
"vagabundierende" Präposition about
am Ende des Satzes eine ähnliche "Unsitte", durch die auch manche
deutschen Präpositionen - genauer gesagt ursprüngliche Adverbien oder
"trennbare Präfixe" - unangenehm auffallen. Was die analytischen
Verbalformen betrifft, so finden sich diese im Englischen eher am Anfang des
Satzes, was uns gewiß natürlicher erscheint, in bezug auf ihren Umfang stehen
sie jedoch ihren deutschen Entsprechungen keineswegs nach. Man könnte daher
sagen: Wenn der deutsche Satz an seinem Ende "monumental" ist (the monument is finished), so ist es
der englische fast unmittelbar an seinem Anfang.
In diesem Zusammenhang stellt sich eine andere, unsere
Meinung nach viel wichtigere Frage:
Ergeben sich aus der Stellung der Verbalformen im
deutschen Satz irgendwelche Schwierigkeiten oder Nachteile für die
Kommunikation?
Mit anderen Worten:
Stellt der deutsche Satz mit seinem Aufbau größere
Ansprüche an die Aufmerksamkeit und Konzentration des Sprechers und/oder Hörers
als es in anderen Sprachen der Fall ist?
Bevor wir auf diese Fragen eine unserer Meinung nach
richtige Antwort zu geben versuchen, müssen wir einige Bemerkungen
vorausschicken. Es versteht sich von selbst, daß sich mit der zunehmenden
Komplexität des Satzes auch die Ansprüche an den Hörer oder Leser erhöhen. Dies
trifft wohl für alle Sprachen zu. Als abschreckende Beispiele des deutschen
Satzbaus werden jedoch häufig Sätze gewählt, die sogar dem Muttersprachler als
problematisch erscheinen. So ist der folgende Satz[4] im
geschriebenen Text noch möglich:
Somit ist
die von einem konstanten Gleichstrom aus einer leitenden Flüssigkeit
abgeschiedene Stoffmenge der durch die Flüssigkeitsmenge transportierten Elektrizitätsmenge
proportional.
Sollte dieser Satz in einem Vortrag vorkommen, so müßte
er aus Rücksicht auf die Hörer so umformuliert werden, daß die Bestandteile des
prädikativen Rahmens sozusagen "in Hörweite" bleiben:
Somit ist
die Stoffmenge, die von einem konstanten Gleichstrom aus einer leitenden
Flüssigkeit abgeschieden wird, proportional der Elektrizitätsmenge, die
durch die Flüssigkeitsmenge transportiert wird.
In der künstlerischen Prosa kann die Rahmenkonstruktion
als Stilmittel genutzt werden. Dafür liefert in seinen Werken der unlängst
verstorbene österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard viele schöne
Beispiele. Unsere Belegstelle stammt aus seiner Erzählung Amras:
Wir hatten
beide sofort nach dem Ende unserer von den Tabletten hervorgerufenen und von
zwei Innsbrucker praktischen Ärzten mit, wie sich denken läßt, großer
Feierlichkeit entgifteten Ohnmacht, in der Gewißheit, wieder und gegen unseren
Willen, also um so entsetzlicher existieren zu müssen, befürchtet, daß
die Anfälle Walters, ihm angeborene, von der Mutterseite ererbte, von seiner
Extose begünstigte, ihn von Zeit zu Zeit blitzartig mißbrauchende, in den
letzten Monaten ganz zum Stillstand gekommene, jetzt im Turm, unter dem Überdruck
des uns Zugestoßenen, wieder auftreten könnten ... und tatsächlich traten
sie (die infolge seiner wissenschaftlichen Daueranstrengung von ihm
hinausgeschobenen) schon nach den ersten Schritten im Turm wieder auf ...[5] Die Länge des Satzrahmens - oder vielmehr die
durch sie hervorgerufene Spannung - scheint den Leser durch ein Labyrinth von
Assoziationen zu führen, durch das er dem fiktiven Erzähler, einem erfolglosen
Selbstmörder, folgt, den ein ärztlicher Eingriff im letzten Augenblick vor dem
Tod noch retten konnte. Diese Spannung, wie sie im deutschen Original vorliegt,
geht in der sonst sehr guten tschechischen Übersetzung von Michaela Jacobsenová
verloren,[6] weil
das Tschechische keine solche Konstruktion in seinem Repertoire hat.
Künstlich konstruierte Sätze in geschriebenen Texten
haben allerdings mit der sprachlichen Realität nur relativ wenig gemeinsam.
Gehen wir von ihnen aus, so wird das ganze Problem lediglich größer und
komplizierter. Für ein besseres Verständnis der Rahmenkonstruktion erweist sich
u.a. auch die Berücksichtigung der sprachgeschichtlichen Entwicklung als
hilfreich.
Die Entstehung des Satzrahmens, d.h. die Verschiebung des
Verbalkomplexes an das Ende des Satzes, blieb auch für die germanistische
Sprachwissenschaft lange Zeit ein Rätsel, und sie ist in Einzelheiten bis heute
nicht völlig geklärt.[7]
Den Ursprung des Rahmens suchte man - vor allem für den Nebensatz - sogar in
der indoeuropäischen Ursprache,[8]
oder in dem Einfluß des humanistischen Lateins,[9] der
durch die Sprache der Kanzleien vermittelt wurde und durch die Werke der
Grammatiker im 16. und 17. Jahrhundert an Verbreitung und Wirksamkeit gewann.[10] Zur
endgültigen Durchsetzung der Rahmenkonstruktion soll vor allem die Pedanterie
der Lehrer und Schulmänner beigetragen haben, nachdem sie sich der Sache
angenommen hatten. Auch wenn wir zugeben wollen, daß die erwähnten Fakten nicht
ganz unwirksam waren, so meinen wir, daß sie diesen Prozeß zwar begünstigen und
beschleunigen, keineswegs jedoch hervorrufen konnten. Die Ergebnisse der
neueren Forschung zeigen,[11] daß
die Grammatiker den Satzrahmen nicht erfunden hatten, sondern daß sie eine
Erscheinung kodifizierten, die in ihrer Zeit in der gesprochenen Sprache
bereits geläufig war.[12]
Daher müssen wir annehmen, daß sich durch die Entstehung der Rahmenkonstruktion
lediglich Tendenzen durchgesetzt haben, die der geschichtlichen Entwicklung der
deutschen Sprache immanent sind. Diese Entwicklung resultiert in der linearen
Anordnung der Satzelemente, die durch das typologische Muster SOV (=
Subjekt-Objekt-Verb) ausgedrückt ist und bei der Subjekt und Objekt in der
linearen Kette dem Verb vorangehen. Im eingeleiteten Nebensatz war dieser
Prozeß einfacher, und daher verlief er konsequenter,[13] im
Hauptsatz setzte er sich mit Hilfe der analytischen Verbformen etwas zaghafter
und weniger konsequent schließlich ebenfalls durch.[14]
Dabei blieben die grammatischen Morpheme, die vorwiegend in der Personalform
des Verbs enthalten sind und Tempus und Modus, zum Teil auch Person und Numerus
signalisieren, an ihrer Stelle. Die infiniten Prädikatsteile, die die
lexikalische Bedeutung tragen, gelangten hinter die übrigen Satzglieder, vor
allem solche, die valenzbedingt sind. Dadurch geriet der Rhemagipfel (rheme
proper) in der Regel an die vorletzte Stelle im Satz,[15] was
sicherlich auch zur Modifikation der Intonationskurve führte. Die Komplexität
und Kompliziertheit des Phänomens sowie die beträchtliche Zeitspanne, bei der
es sich, wenn die bescheidenen Ansätze im Alt- und Mittelhochdeutschen[16]
berücksichtigt werden, um gut ein Jahrtausend handelt, erlauben es nicht, in
dieser Entwicklung immer mit Sicherheit die archaischen Formen von den
Neuerungen zu trennen und somit die Ursachen von den Folgen zu unterscheiden,
zumal für die ältere Zeit die Zeugnisse in der gesprochenen Sprache fehlen.
Unsere leider etwas kurzgefaßte Bemerkung über die Entstehung des Satzrahmens
soll lediglich belegen, daß diese Erscheinung im Lichte der Ergebnisse neuerer
Forschungen keineswegs als eine Art "Betriebsunfall der
Sprachgeschichte" abgetan werden kann,[17]
sondern vielmehr als ihr gesetzmäßiges Resultat, was natürlich auch unsere
Einstellung zu den oben angeführten Fragen bestimmt. In der Sprache kann
nämlich keine Konstruktion entstehen bzw. sich längere Zeit halten, die mit der
Tendenz zur Ökonomie der sprachlichen Strukturen in Widerspruch gerät und den
glatten Kommunikationsablauf behindert. Wie ist also die häufig vorkommende
Meinung - wie etwa die Mark Twains - zu beurteilen, daß erst das Verb uns
verrät, what the man has been talking
about - wovon die Rede ist. In seinem Artikel über die Satzpläne zeigt
Heinrich Erk mit Hilfe eines einfachen Tests,[18]
indem er die Verben am Satzende wegläßt, daß diese Behauptung nicht richtig
ist. Wir führen hier einen von Erks Sätzen als Beispiel an:[19]
Die Erlernung der
Großbuchstaben bereitet tatsächlich ausserordentliche Schwierigkeiten, vor
allem deshalb, weil die Handhabung ihrer Regeln immer wieder Entscheidungen
..., welche eine Fähigkeit des kategorialen Denkens beim Lernenden ..., über
die das Kind nicht ... .
Nicht nur jeder Muttersprachler wird die ausgelassenen
Verben (verlangt, voraussetzen, verfügt)
mühelos ergänzen, sondern auch der fortgeschrittene Lerner kann Erfolg haben.
Er muß allerdings die sog. Satz(bau)pläne - Kombinationen der Verben mit ihren
valenzbedingten Satzgliedern, die einen elementaren, grammatisch vollständigen
und sinnvollen Satz bilden - beherrschen. Soweit es sich um Kombinationen von
zwei oder mehr Satzgliedern, sog. Aktanten, handelt, läßt sich - wie wir
gesehen haben - das dazugehörige Verb aus ihrer Bedeutung und aufgrund der
erwähnten Satzbaupläne erschließen bzw. erraten. Semantische und syntaktische
Informationen ergänzen sich dabei gegenseitig in wirkungsvoller Weise. Der
Hörer oder Leser kennt also das betreffende Verb in den meisten Fällen[20] noch
bevor er es zu hören oder zu sehen bekommt. Er braucht daher - um zu wissen, what the man has been talking about -
nicht auf dieses Verb zu warten. Daraus ergibt sich, daß die Verbstellung im
deutschen Satz auf keinen Fall dem störungsfreien Fluß der Kommunikation
irgendwie hinderlich ist.
Es gibt jedoch zusätzlich "sprachliche
Tätigkeiten", die sich gewissermaßen "sekundär etabliert" haben
und mit denen die Sprache "nicht rechnet". In diesem Bereich ist die
Verbstellung des Deutschen ohne Zweifel "eine harte Nuß". Wir denken
dabei neben der didaktischen Problematik des fremdsprachlichen
Deutschunterrichts, auf die wir noch zu sprechen kommen, vor allem an das
Dolmetschen. Die topologische Struktur des Tschechischen erfordert die
Anführung des Verbs bereits in einem Augenblick, in dem der Dolmetscher es noch
nicht kennt, und er kennt nicht einmal - und das ist der wesentliche
Unterschied zur einsprachigen Kommunikation - die dazugehörigen Aktanten, um es
zu erraten. Es bleibt ihm also nichts anderes übrig als zu warten und einen
mitunter ziemlich langen Abschnitt des Satzes im Gedächtnis zu behalten, was an
sein Gedächtnis verständlicherweise große Ansprüche stellt. Bei einem
schriftlich formulierten Text, der vorgelesen wird, machen es die spezifischen Eigenschaften
der geschriebenen Sprache - die zumeist beträchtliche Satzlänge und der
komplizierte Satzbau - geradezu unmöglich, ohne vorherige Einsicht in den Text
zu dolmetschen. Der Ursprung dieser Schwierigkeiten ist - wie bereits erwähnt -
in erster Linie die unterschiedliche Stellung des Verbs in den beiden Sprachen.
Auf die gleichen Schwierigkeiten stoßen übrigens auch der
Lehrer und der Lehrbuchautor. Vor ihnen stand bereits Johann Amos Comenius, als
er sein Lehrbuch des Lateinischen für deutschsprachige Schüler konzipierte -
das bekannte Werk Orbis sensualium pictus.[21] Wir
wollen an einigen Beispielen zeigen, wie der "Lehrer der Nationen"
das Problem meisterte. Sein Buch stellt eine Art Lese- und Realienbuch dar,
wobei alle Bereiche der Gesellschaft und ihrer Tätigkeit sowie das damaligen
Weltverständnis einbezogen sind. Unter einem anschaulichen Bild zu jedem Thema
finden sich - wie etwa in modernen Konversationsbüchern - bedeutungsgleiche
lateinische und deutsche Sätze, z.B.:
Postea ibimus in mundum et spectabimus omnia.
Darnach wollen wir gehen in die
Welt und wollen beschauen alleDinge.[22]
(Danach wollen
wir in die Welt gehen und wollen alle Dinge beschauen.)
Ex aquâ ascendit vapor.
Aus dem Wasser steigt auf der
Dampf.[23]
(Aus dem Wasser steigt
der Dampf auf.)
E semine procrescit planta.
Aus dem Samen wächst hervor die
Pflanze.[24]
(Aus dem Samen wächst
die Pflanze hervor.)
Poma decerpuntur à fructiferis arboribus.
Das Obst wird abgebrochen von
den fruchtbaren Bäumen.[25]
(Das Obst wird
von den fruchtbaren Bäumen abgebrochen.)
Pectus à ventre dividitur crassâ
membranâ, quae vocatur diaphragma.
Die Brust wird unterschieden
vom Bauch durch eine dicke Haut, welche genennt wird das
Zwerchfell.[26]
(Die Brust wird
vom Bauch durch eine dicke Haut unterschieden, welche das
Zwerchfell genannt wird.)
In den angeführten Beispielsätzen stehen die Verbalformen
und andere Bestandteile des Satzrahmens in der sog. Kontaktstellung, d.h.
unmittelbar nacheinander. Diese Anordnung kam keinesfalls zufällig zustande,
sondern sie war das Ergebnis einer zielbewußten Planung. Comenius lebte als
Zeitgenosse von H.J.Ch. von Grimmelshausen in einer Zeit, in der der Satzrahmen
immer noch seine fast absolute Herrschaft behauptete.[27]
Sein Gebrauch war jedoch wahrscheinlich nicht in dem Maße bindend, daß er die
Nachahmung eines lateinischen Vorbildes ausschloß. Daher konnte Comenius seinen
Orbis pictus nicht nur als ein
Lehrbuch der lateinischen, sondern auch eines der deutschen Sprache betrachten,[28] die
er - wie sich seinen biographischen Daten entnehmen läßt - gut beherrschte.[29]
Die parallele Anordnung von inhaltsgleichen Sätzen findet
sich in den Lehrbüchern auch in der Gegenwart. In modifizierter Form benutzt
sie z.B. in den ersten vier Lektionen seines Lehrbuchs des Norwegischen auch
Kjell Bjørnskau.[30]
Unter dem norwegischen Text stehen in jeder Zeile phonetische Transkription und
wörtliche Übersetzung ins Deutsche. Wir bringen hier zwei Beispiele zur
Illustration:
Konduktøren: Har De fått
bilett?
Schaffner: Haben Sie bekommen Fahrschein?[31]
Fru Nilsen, jeg kan ikke få låne støvsugeren,
vel?
Frau Nilsen, ich kann nicht bekommen leihen
den Staubsauger, wohl?[32]
Wie die angeführten Beispielsätze zeigen, könnten aus
einem solchen Lehrbuch heute die Norweger gewiß nicht Deutsch lernen. Dies u.a.
auch deshalb, weil die Ausrahmung des Subjekts und der Kasusobjekte, wie sie zu
Comenius' Zeiten noch vorkam, in der Gegenwartssprache praktisch nicht mehr
möglich ist. Der Satzrahmen hat sich in diesem Bereich mit unerbittlicher
Konsequenz durchgesetzt. Um so klarer wird der deutschsprachige Lerner die
Unterschiede zwischen dem Norwegischen und seiner Muttersprache erfassen. Die
Unterrichtsmethode, deren sich Johann Amos Comenius in seinem Lehrbuch
bediente, hat an ihrer Wirksamkeit nichts eingebüßt.
Bibliografický údaj: ZEMAN, J. Satzrahmen, Satzbaupläne und deutsche Wortstellung. Pøijato
do tisku pro Brünner
Beiträge zur Germanistik und Nordistik R 10.
[1]M.Twain (1907): A Tramp Abroad. In Two Volumes, Vol. II,
New York (= Author's National Edition: The Writings of Mark Twain. Volume XIV),
S. 270 f.
[2]Zit. nach J.Macheiner (1998): Das Grammatische Varieté oder Die Kunst und
das Vergnügen, deutsche Sätze zu bilden. Frankfurt am Main, S. 127.
[3]Vgl. z.B. G.Grewendorf (1988): Aspekte der deutschen Syntax, Eine
Rektions-Bindungs-Analyse. Tübingen, S. 85 ff., v.a. S. 87.
[4]Das Beispiel ist zitiert nach: Ausdruckslehre, Lehrbuch für
Deutschunterricht an Ingenieur- und Fachschulen. Autorenkollektiv,
Federführung: K.Kießling; 5., verbesserte und teilweise neubearbeitete Aufl.,
Leipzig 1966, S. 177 f.
[5]Thomas Bernhard: Amras. Suhrkamp Taschenbuch 1506, 1.
Aufl. 1988, S. 12.
[6]Thomas Bernhard: Tøi novely.
Ungemach, Amras, Moušlování. Edice støed,
Prostor 2000, S. 92:
Hned jak jsme se probrali z mdlobného omámení,
vyvolaného prášky, z nìhož nás s velkou pompou, jak se dalo èekat, vyléèili dva
praktiètí lékaøi z Innsbrucku, uvìdomili jsme si, že musíme opìt a proti své
vùli, a tedy o to strašlivìji dál existovat, a zaèali jsme se obávat, že teï ve
vìži pod pøetlakem událostí opìt vypuknou Waltrovy vrozené záchvaty, dìdictví z
matèiny strany, podporované jeho exostózou, záchvaty, které ho èas od èasu
drtily jako blesk a v posledních mìsících zcela utichly... a skuteènì se hned
po prvních krocích ve vìži znovu dostavily (dosud je oddaloval systematickým
vìdeckým úsilím)...
[7]Vgl. A.Betten (1987): Grundzüge einer Prosasyntax. Stilprägende
Entwicklungen vom Althochdeutschen zum Neuhochdeutschen. Tübingen, S. 134.
[8]Vor allem W.Braune; vgl. die Kritik
von O.Behaghel (1930): Von deutscher
Wortstellung. In: Zeitschrift für Deutschkunde, 44. Jg. der Zeitschrift für
den deutschen Unterricht, Leipzig/Berlin, S. 82. Außerdem C.Biener (1922): Wie ist die nhd. Regel über die Stellung des
Verbums entstanden? In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche
Literatur 59, S. 165-179.
[9]Vgl. a.a.O: O.Behaghel (1930).
[10]Vgl. C.Biener (1922), a.a.O., S.
174. Außerdem E.Timm (1986): Der 'Knick'
in der Entwicklung des Frühneuhochdeutschen aus jiddischer Sicht. In: Akten
des VII. Inter. Germ.-Kongr., Göttingen 1985, Bd. 5, S. 27.
[11]Vgl. z.B.: R.P.Ebert (1980): Social and Stylistic Variation in Early New
High German Word Order: The Sentence Frame ('Satzrahmen'). In: PBB
(Tübingen), Bd. 102, S. 357-398.
R.P.Ebert (1981): Social
and Stylistic Variation in the Order of Auxiliary and Nonfinite Verb in
Dependent Clauses in Early New High German. In: PBB (Tübingen), Bd. 103, S.
204-237.
[12]Vgl. R.P.Ebert (1986): Historische Syntax des Deutschen II: 1300 -
1750. Bern, S. 115: "Wie beim Nebensatz war auch beim Hauptsatz der
vollständige Rahmen längst die weitaus herrschende Variante, als die deutschen
Grammatiker ihn erwähnten und empfahlen."
[13]Vgl. J.E.Härd (1981): Studien zur Struktur mehrgliedriger
deutscher Nebensatzprädikate, Diachronie und Synchronie. In: Göteborger
germanistische Forschungen 21.
[14]Vgl. R.P.Ebert (1986), a.a.O., S.
110-115.
[15]Vgl. J.-M.Zemb (1978): Weder SVO noch SOV. Von einer ptolemäischen
zu einer kopernikanischen Analyse. In: Sprachwissenschaft 3, vor allem S.
292-296.
[16]Vgl. A.Betten (1987), a.a.O., S.
123, 127 und 129.
[17]Vgl. H.-W.Eroms (1993): Hierarchien in der deutschen Satzklammer.
In: J.-F.Marillier (Hg.): Satzanfang -
Satzende. Syntaktische, semantische und pragmatische Untersuchungen zur Satzabgrenzung
und Extraposition im Deutschen. (= Eurogermanistik 3), Tübingen, S. 17 f.
[18]Vgl. H.Erk (1978): Satzpläne in wissenschaftlichen Texten.
In: Wirkendes Wort 3, S. 164 ff.
[19]Vgl. H.Erk (1987), a.a.O., S. 164.
Es handelt sich um die Testsätze 9 bis 12.
[20]Als Ausnahme müssen natürlich
solche Sätze gelten, in denen das Verb den Rhemagipfel liefert und daher
meistens nicht vorhersagbar ist.
[21]Johannis Amos Comenii Opera Omnia. Bd. 17, Praha 1970.
[22]Vgl. a.a.O., S. 69, Satz 11.
[23]Vgl. a.a.O., S. 78, Satz 1.
[24]Vgl. a.a.O., S. 84, Satz 1.
[25]Vgl. a.a.O., S. 86, Satz 1.
[26]Vgl. a.a.O., S. 116, Satz 10.
[27]Vgl. R.P.Ebert (1986), a.a.O., S.
109 f.
[28]Vgl. J.A.Comenii Opera Omnia
(1970), a.a.O., S. 64: "So wird auch dies Büchlein dienen, wann es in den
deutschen Schulen deutsch gebraucht wird, die ganze Muttersprach aus dem Grund
zu erlernen: weiln durch vorgedachte Beschreibung die Wörter und Redarten der
Sprache jedes und jede an seinem Ort angeführt werden."
[29]Vgl. J.A.Comenii Opera Omnia
(1970), a.a.O., S. 290.
[30]K.Bjørnskau: Langenscheidts Praktisches Lehrbuch
Norwegisch. 6. Aufl., Berlin/München/Zürich 1975.
[31]Vgl. K.Bjørnskau (1975),
a.a.O., S. 31.
[32]Vgl. K.Bjørnskau (1975),
a.a.O., S. 35.