PhDr. Jiøina Malá, CSc.
Department of Germanic, Nordic and Dutch
Studies
Institut für Germanistik, Nordistik
und Nederlandistik
Ústav germanistiky, nordistiky a
nederlandistiky
Stylistika a styl
Stylistics and Style
Klíèová slova:
Stilistik, Stil, Funktionalstilistik, kommunikativ-pragmatische Wende, Text, Stilanalyse, Stilzüge, Stilelemente, Stilmuster, Fomulierungsmuster
Annotation: Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit der Entwicklung der
germanistischen Stilistik, besonders im 20. Jahrhundert und in der Gegenwart. Die Aufmerksamkeit wird
den wichtigsten Stilkonzeptionen und den Einflüssen einzelner Stilforscher
gewidmet. Der zweite Teil der Studie befasst sich mit der stilistischen Textanalyse
und stellt die grundlegenden Schritte und Verfahren der Stilanalyse vor und
nach der kommunikativ-pragmatischen
Wende vor.
Anotace: Èlánek je vìnován vývoji germanistické stylistiky, zejména ve
20. století a v souèasnosti. Sleduje nejdùležitìjší
stylistické koncepce a vlivy jednotlivých badatelù v oblasti stylistiky.
Druhá èást studie se zabývá stylistickou analýzou textu a pøedstavuje základní
kroky a postupy stylistické analýzy textu
pøed a po tzv. kommunikativ-pragmatische Wende.
1.
Stilistik und Stil
1.1.
Gegenstand und historische Entwicklung
Am Anfang von Betrachtungen von Stil muss man vorausschicken: Stil ist eine sehr komplizierte und unscharfe
Kategorie. Und zwar deshalb, dass es
sich um ein Allerweltswort, um eine soziale Tatsache handelt. Unsere Umwelt ist
möbliert mit einer bunten Mischung aus Stilen, unser Umgang miteinander
undenkbar ohne Stilisierung.[1]
Im Alltag wird das Wort Stil zur
Kennzeichnung eines bestimmten Verhaltens verwendet: Lebensstil, Modestil,
Kampfstil, Sportstil; im Bereich der
Künste, Architektur und Geisteswissenschaften zur Benennung der
Eigenart einer Schaffensweise gebraucht: als Individualstil (Mozarts Opernstil, Stil des alten Goethe)
oder zur Charakterisierung einer Epoche
(Stil der Gotik, Jugendstil). In der Linguostilistik steht der Begriff Sprachstil im Vordergrund. In jeder
Hinsicht geht es bei dem Stil um die
Frage des Gestaltens, der Art und Weise der Gestaltung.
Die Probleme der angemessenen und
wirkungsvollen Gestaltung sprachlicher Äußerungen in den vielfältigen Sphären
der menschlichen Kommunikation, sowohl der öffentlichen als auch der privaten,
interessieren seit jeher die Sprachwissenschaft, traditionell beschäftigt sich
mit dieser Problematik die Stilistik.
[2]
Die Stilistik als Lehre und
Disziplin hat eine lange Entwicklung hinter sich. Die Anfänge einer bewussten,
lehrbaren Sprachgestaltung liegen bereits in der griechischen und römischen
Antike. Stylos (griech.)/stilus (lat.), ursprünglich ein
hölzerner oder metallener Schreibgriffel, wurde allmählich in der metonymischen
Verschiebung zur Kennzeichnung der Art und Weise des Schreibens und des
(vorbereiteten) Redens.
Eine übersichtliche Darstellung
der Entwicklung der Stilistik liefert B.
SOWINSKI (1991, 17ff:): Nachdem sich die
übertragene Bedeutung von stilus in
der Spätantike weitgehend durchgesetzt hatte, wurde sie auch im Mittelalter
adaptiert und tradiert. Eine Stilistik als Stillehre im späteren Sinne
entwickelt sich daraus jedoch noch nicht;
es entstehen lediglich Ansätze zur pragmatisch bestimmten Verwendung von
rhetorischen Stilmitteln im Rahmen der traditionellen Rhetorik, deren
Gültigkeit bis ins 18. Jahrhundert fortdauert. In der wissenschaftlich und
didaktisch ausgerichteten Stilistik des späten 18. und des 19. Jahrhunderts in
Deutschland vollzieht sich eine allmähliche Umorietierung auf den
individualisierenden Stilbegriff. An die Stelle der bisherigen
Rhetoriklehrbücher treten nun solche über den Stil oder die Schreibart. Als
wichtigster Autor des späten 18. Jhs. ist JOH. CHRISTOPH ADELUNG zu nennen, der
in seinem zweibändigen Werk Über den
deutschen Styl (Berlin 1875) von der
traditionellen Rhetorik ausgeht. Die Stilistik soll nach ihm auf die
Zweckmäßigkeit und Schönheit des Ausdrucks achten.[3]
Das 19. Jahrhundert ist im Bezug
auf die Überlegungen über die Stilistik mit vielen bedeutenden Namen verbunden,
unter denen auch J. GRIMM und W. von HUMBOLDT figurieren, die jedoch keine
explizierte Stiltheorie formulierten. Mitte des 19. Jhs. profilierte sich als
Stilistiker KARL FERDINAND BECKER (Der
deutsche Stil, 1848), der die Zielorientierung der älteren, an Schönheit
und Zweckmäßigkeit orientierten Regelstilistik ablehnt. Die Stilistik soll nach
seiner Meinung beschreiben, werten und lehren.
Im Rahmen der positivistischen
Neuorientierung in der Literaturwissenschaft gegen Ende des 19. Jhs. gewann die
literaturwissenschaftliche Stilistik
neue systematische und methodische Perspektiven. R. M. MEYER ( Deutsche Stilistik, 1906), der die Stilmittel systematisch anhand
von Wortbeispielen bis hin zu literarischen Großformen zusammenzustellen versuchte, weist zugleich
auf die im Stil ausgeprägten individuellen Züge verschiedener Autoren und ihrer
Werke hin. (vgl. SOWINSKI, 1991, 26ff).
1.2. Stilistik und Stilbegriff im 20.
Jahrhundert
1.2.1. Zur
Entwicklung der Stilistik in der ersten Hälfte des 20. Jhs
Die Stilistik des 20. Jahrhunderts ist durch
eine große Richtungsvielfalt gekennzeichnet.
Bis in die zwanziger Jahre ist der Einfluss der Literaturwissenschaft
und Kunstgeschichte maßgebend. Auf die
durch seelische Erregungen verursachten auffallenden Einzelheiten und sprachlichen Abweichungen im Stil
bestimmter Autoren macht der Romanist und einer der bedeutendsten Vertreter der
hermeneutischen Schule LEO SPITZER (geb. 1887) in seinen zahlreichen
Stilstudien aufmerksam. Er lehte sich an
die Auffassungen von KARL VOSSLER und BENEDETTO CROCE an, die das Individeulle
und Ästhetische betonen, sowie an die Psychologie von S. FREUD. Eine explizite
systematische Darlegung einer Methode
der Stilanalyse hat er jedoch nicht vorgelegt.[4]
Die literaturwissenschaftlich orientierte
Stilistik erreicht ihren Höhepunkt in dem unter dem Einfluss des Strukturalismus
entstandenen Werk von WOLFGANG KAYSER Das
sprachliche Kunstwerk (1948), in dem ein ausführliches Kapitel dem Stil,
der Entwicklung der Stilauffassungen sowie den Stilanalysen gewidmet wird. W.
KAYSER konzentriert sich auf die Werkstruktur und betont die werkimmanente
Interpretation des Kunstwerkes.[5]
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
setzt sich aber auch eine linguistisch
orientierte Stilistik durch. Unter dem Einfluss des Romanisten CHARLES BALLY
betont EMIL WINKLER (z.B. Grundlegung der
Stilistik, 1929) die konnotativen Elemente, die den Stil in Texten
ausmachen (vgl. SOWINSKI, 1991, 29f).
Ihren Höhepunkt erreicht die Linguostilistik in der strukturalistischen
Stilauffassung und in der Funktionalstilistik
der Prager Schule. In den Vordergrund
der Untersuchungen von Sprachforschern rücken neben den literarischen Texten
auch die sog. Gebrauchstexte, d.h. Texte aus der Wissenschaft, der
Alltagskommunikation und aus dem Amtsverkehr.
Die Prager Schule (seit 1929) leistete einen
wichtigen Beitrag zur funktionalen Differenzierung der Sprache. B. HAVRÁNEK
(1932) gilt als Bahnbrecher bei der Unterscheidung von drei Funktionalsprachen: Konversationssprache,
Fachsprache und Dichtersprache. Die Fachsprache kann weiter unterteilt werden
in Sach- und Wissenschaftssprache. Im Hinblick auf die Dichtersprache sind die
Arbeiten von JAN MUKAØOVSKÝ (Poetik)
von großer Bedeutung.[6]
1.2.2. Zur
Entwicklung der Stilistik nach 1945 bis in die 70er J ahre des 20. Jhs
Die Gedanken der Prager Schule des Strukturalismus
und der funktionalen Differenzierung der Sprache wurden auch nach dem Zweiten
Weltkrieg und vor allem in den fünfziger Jahren des 20. Jhs. wiederbelebt.
Auf dem Gebiet der Germanistik hat sich
besonders die in der ehem. Sowjetunion lebende Stilforscherin österreichischer
Abstammung ELISE RIESEL für die
Differenzierung der Funktionalstile verdient gemacht.[7]
Sie unterscheidet bereits fünf Funktionalstile: Stil der öffentlichen Rede, der Wissenschaft, der Presse und
Publizistik, der Alltagsrede und der schönen Literatur. (vgl.
RIESEL/SCHENDELS, 1975, 5). Der Verdienst von E. RIESEL besteht ebenfalls in
der systematischen Aufstellung der Stilmittel. Die Eintelung in Funktionalstile
wurde auch in der DDR-Stilistik (W. FLEISCHER, G. MICHEL), in der
tschechischen (J. CHLOUPEK und Koll.)
und slowakischen Stilistik (J. MISTRÍK) rezipiert.[8]
Die Stilforscher behaupten, dass den Texten eines Funktionalstils gemeinsame
Stilmittel, bestimmte Stilzüge und spezifische Stilverfahren innewohnen.
Grundlegende Kategorien der Funktionalstilistik sind Stilelemente und Stilzüge,
die in der Stilanalyse eines Textes zur Geltung kommen.
Die Stilauffassung der Prager Schule wurde
vom Strukturalismus beeinflusst, besonders im Schaffen von ROMAN JAKOBSON. In der strukturalistischen Stilkonzeption
werden in der Nachfolge F. de SAUSSUREs paradigmatische und syntagmatische
Zeichenrelationen als methodische Grundlagen berücksichtigt. R. JAKOBSON sieht
im Stil das Resultat von Selektionen und Kombinationen im Rahmen der Achsen der
paradigmatischen und syntagmatischen Beziehungen der Sprachelemente auf allen
Ebenen des Sprachsystems, von der Lautung bis zur Textbildung. Dabei werden die
Äquivalenzbeziehungen zwischen den Elementen dieser Achsen genutzt: in der „vertikalen“ Äquivalenz zwischen alternativen
Ausdrücken (Synonyme), in der „horizontalen“ zwischen zwei verschiedenen Stellen der Textsequenz. (vgl. SOWINSKI,
1991, 34f).
Die strukturalistische Konzeption vom Stil
als Resultat der Wahl synonymer Sprachmittel
ist eine der ältesten Stilauffassungen. Sie ist schon aus der antiken
Rhetorik bekannt. N. E. ENKVIST (Linguistic
Stylistics. The Hague 1973) weist allerdings darauf hin, dass es
verschiedene Stufen sprachlicher Selektion gibt: pragmatische, grammatische, stilistische
und nicht stilistische, und es ist äußerst schwierig, sie voneinander zu
unterscheiden. Zu weiteren Vertretern der selektiven Stilauffassung gehören B.
SPILLNER und B. SOWINSKI, beide weisen
jedoch auf die Grenzen einer solchen Stilistik hin.[9]
Die konnotative
Stilkonzeption von CHARLES BALLY bleibt auch nicht vergessen und wird z.B.
in den Arbeiten von E. RIESEL (1975) aufgenommen, die den Konnotationen eine
besonderen stilistischen Wert beimessen. Auf die Konnotationen greift auch G.
LERCHNER (Sprachform von Dichtung.
Linguistische Untersuchungen zur Funktion und Wirkung literarischer Texte. Berlin
1984) in seinen Analysen der poetischen Texte, wenn er über die konnotative Potenz spricht.
Die 70er Jahre stellen eine Zeit der
Bestandsaufnahme der stilistischen Auffassungen dar. „Die vermehrte
Beschäftigung mit der Stilistik ist ein Zeichen dafür, daß die Linguisten die
Frage der Sprachverwendung nicht aus den Augen verloren haben, sie sogar
eindringlicher stellen, wenn strukturalistische und formale Theorien einen
Großteil ihrer Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.“ (PÜSCHEL, 1991,
50). Charakteristisch für jene Jahre ist
die Diskussion um den Stilbegriff und die Heranziehung aktueller linguistischer
Ansätze wie Abweichungsstilistik, Generative Transformationsgrammatik, aber
auch Sprechakttheorie und Sprachpragmatik, die die Oberhand in der Linguistik
der 70er Jahre gewonnen haben.
1.2.3.
Stilistik nach der kommunikativ-pragmatischen Wende (70er und 80er Jahre
des
20. Jhs.)
Nach der kommunikativ-pragmatischen
Wende, die sich Anfang der 70er Jahre vollzog, erscheint eine Anzahl von
Arbeiten, die sich mit der Sprachverwendung beschäftigen. Die erhöhte Aufmerksamkeit wird der
gesprochenen Sprache gewidmet (Gesprächs-/Diskursanalyse).
Es entstehen neue Disziplinen, die sich mit dem Text und seinen
Gesetzmäßigkeiten befassen und verschiedene kommunikative und Textzusammenhänge
untersuchen: Texttheorie, Textlinguistik,
Soziolinguisatik, Psycholinguistik. Bisher pflegte die Stilistik diese Gegenstandbereiche abzudecken. Zwischen der
Stilistik und einigen anderen Gebieten der Linguistik gab es eigentlich nie
scharfe Grenzen, die Stilistik war nie ein streng abgegrenztes
Forschungsgebiet, so dass sie sich in die kommunikationsorientierte
und pragmatische Linguistik ohne
größere Probleme integrieren ließ. „Wie in der Linguistik die
strukturalistiscehn und generativen Grammatiktheorien von den pragmatischen
Sprachtheorien und Analysemethoden ergänzt und teilweise verdrängt wurden, so
sind auch in der Stilistik inzwischen Auffassungen und Methoden einer
pragmatischen, d.h. handlungsorientierten Stilistik mit einem großen
Geltungsanspruch hervorgetreten.“ (SOWINSKI,
1991, 46f).
Zu den Hauptvertretern der pragmatischen Stilistik gehören vor
allem BARBARA SANDIG und ULRICH PÜSCHEL.[10]
In ihren Auffassungen schlägt sich das Wissen von der pragmatischen/sozialen
Dimension des Stils nieder. Bei B. SANDIG liegt der Schwerpunkt auf dem sprachlichen Handeln als der
Realisierung der Intentionen des Handelnden und auf der Tatsache, dass Stil Information über das handelnde
Individuum und seine persönlichen und sozialen Bedürfnisse sowie über die
Situatrion ist. [11] Den Ausgangspunkt der
pragmatisch orientierten Stilistik bildet die Theorie von Sprechakten (AUSTIN/SEARLE), die Auffassung, dass die Sprache in
der Kommunikation immer als sprachliches
Handeln zu beurteilen ist. Bei der Erfassung des Stils als sprachliches
Handeln setzen sich sprechakttheoretische Kategorien Illokution, Lokution und Perlokution durch.
Das Wesen des Stils und der Stiliistika
(Stilmittel) wird in der pragmatischen Stilistik anders aufgefasst als in der
strukturalistischen und funktionalen Stilistik. Während die meisten
traditionellen Stilkonzeptionen die Auswahl und Anordnung der
sprachlich-stilistischen Mittel und den Synonymcharakter stilistisch relevanter
Ausdrucksvarianten betonen, geht die
pragmatische Stilistik davon aus, dass mit verschiedenen Ausdrücken auch
verschiedenes bewirkt werden kann. Der Stil wird als „die sozial relevante
(bedeutsame) Art der Handlungsdurchführung“ verstanden (SANDIG, 1986, 23), und
es gibt unterschiedliche stilistische Durchführungsmöglichkeiten von
Handlungen, die an bestimmte soziale Situationstypen gebunden sind und zur
Gestaltung der sozialen Situationen beitragen. (vgl. ebd., 27). Die Stilistik wird damit zur Theorie der
sprachlichen Realisationen von Handlungen, der Stil als die Art des Vollzugs
der sprachlichen Handlung (Lokution) aufgefasst. Zu den grundlegenden Kategorien der
pragmatischen Stilistik gehören neben Handlung
/Handlungstypen /-muster, Konvention und Regel auch die Begriffe Stilmuster, Formulieren und
Durchführen.
Sprachlich-stilistisches Handeln ist
konventionell und regelhaft. Das betrifft vor allem die Gebrauchstexte, die
konventionell geregelt sind und denen bestimmte Formulierungsmuster zu Grunde
liegen. Der Textproduzent kann verschiedenartig formulieren und mit den
verschiedenen Arten des Formulierens auch Verschiedenes bewirken. Der Textrezipient erwartet Konventionelles,
wenn jedoch von Konventionen abgewichen wird, erweckt dies seine erhöhte
Aufmerksamkeit und verleiht dem Text eine besondere Wirkung. (vgl. FIX/Koll. , 2002, 36).
Das zentrale Stilmuster stellte zunächst für
B. SANDIG das Formulieren dar, in dem
der Zusammenhang zwischen der Art der Handlung und der Art der Äußerung zum
Ausdruck kommt. In SANDIGs Stilistik (1986) rückt jedoch das Durchführen als Stilmuster in den Mittelpunkt, dem das Formulieren untergeordnet ist. „Das
Muster Durchführen ist der Dreh- und
Angelpunkt, von dem aus sich systematisch entwickeln läßt, was alles auf irgendeine Art durchgeführt werden muß, wenn
sprachlich gehandelt wird: von den wesentlichen Texthandlungen oder
textkonstitutiven Mustern, den vielfältigen organisatorischen Aufgaben nach
Organisationsmustern und der Imagearbeit nach Beziehungsmustern bis hin zu
syntaktischen Mustern und der Wortwahl – alles Komponenten einer
sprachpragmatisch konzipierten Texttheorie.“ (PÜSCHEL, 1991, 54). Stilmuster lassen sich zusammenfassend als Teile von Handlungstypen
charakterisieren. Zwei grundlegende Vollzugsweisen (Stilverfahren) sind nach
SANDIG Durchführen, den Konventionen
folgen, und Originalisieren/Unikalisieren,
von Konventionen abweichen. (vgl. FIX/Koll., 2002, 36).
Die pragmatisch orientierte Stilistik
intergriert viele Anregungen anderer kommunikativ-pragmatischer Ansätze wie
Textteorie/Textlinguistik (z.B. die Kategorie Textsorte), Sozio- und Psycholinguistik, Gesprächsanalyse oder
Ethnometodologie. B. SANDIG lässt jedoch die Begriffe der „traditionellen“
Stilistik nicht außer Acht, sie knüpft
an diese Stilkonzeptionen an und erweitert sie um neue Aspekte: Stil hat – wie andere sprachliche Einheiten –
Struktur und Funktion. (vgl. SANDIG,
1986, 19). „Stil ist der Tendenz nach ein Textphänomen. […] Es ist zu
unterscheiden zwischen stilistischer Textstruktur und stilistischen Funktionen.
Die stilistischen Funktionen sind zu unterteilen in stilistischen Sinn (als
„Bedeutung“ der stilistischen Textstruktur) und Stilwirkung (als Wirkung des
durch die stilistische Textstruktur vermittelten stilistischen Sinnes).“ (ebd.,
25). Zu den von ihr entwickelten Stilmustern gehören erstens als globale
Muster die Funktionalstile und Stilzüge, zweitens die Handlungsmuster,
also Stilverfahren DURCHFÜHREN und ORIGINALISIEREN und drittens auch die Stilelemente und Stilfiguren als Strukturen/Möglichkeiten, die verschieden bei der
Realisierung eines Textes ausgeführt werden können. (vgl. FIX/Koll., 2002, 37).
Die kommunikativ-pragmatisch orientierten
Stilkonzeptionen setzen sich auch in der DDR-Stilistik der 80er Jahre durch,
die sowohl die Kommunikationsfaktoren als auch die pragmatisch-situativen
Bedingungen der Formulierung von Stil berücksichtigen.[12]
1.2.4. Entwicklungstendenzen in der Stilforschung in den
90ern und um die
Jahrtausendwende
Die Entwicklung der germanistischen
Stilforschung in der ersten Hälfte der 90er Jahre des 20. Jhs. ist von mehreren
„Ereignissen“ geprägt. Die Problematik des Stils, die zu Gunsten von Text und
seinen kommunikativ-pragmatischen und kompelexen strukturellen Gesetzmäßigkeiten nach der pragmatischen Wende der 70er und
80er Jahre verdrängt wurde, scheint wieder in den Vordergrund zu rücken, wovon
zwei Sammelbände mit zahlreichen Studien zu literatur- und
sprachwissenschaftlichen sowie fachdidaktischen Aspekten der Stilistik zeugen.[13]
Im Jahre 1993 erscheint im Peter Lang Verlag
(Frankfzrt/M. etc) ein repräsentatives
Lehrwerk zur Stilistik vom Autorenkollektiv W. FLEISCHER, G. MICHEL und G.
STARKE Stilistik der deutschen
Gegenwartssprache. Es soll keine Überarbeitung der Stilistik (Leipzig 1975 etc.)
darstellen, sondern „Eigenständigkeit im Ensemble der textlinguistisch
und kommunikativ-pragmatisch orientierten Beschreibungskonzepte“ anstreben
(vgl. FMS, 1993, 11). Im Mittelpunkt
stehen nicht nur theoretische Betrachtungen zum Stil, sondern vor allem die
Beschreibung des stilistischen Potentials der deutschen Gegenwartssprache
(Lexik, Syntax, Morphologie, Phonetik, Tropen und Stilfiguren) anhand von
verschiedensten Textsorten und in verschiedenen Kommunikationsbereichen.
Einen wichtigen Schnittpunkt in der neuesten
Entwicklung der Stilistik stellt die 30. Jahrestagung des Instituts für deutsche Sprache in
Mannheim dar, die dem komplexen Phänomenbereich des Stilistischen unter mehreren Aspekten gewidmet wurde. Zu den
diskutierten Themen gehörten u.a. Stilphänomene nach sprachlichen
Strukturebenen, Stilwandel, Stilsemiotik, Gesprächsstile, Stile in der
Gegenwartsliteratur, in Wissenschaftstexten, in interkulturellen Begegnungen,
Probleme der Didaktik und der Stilanalyse.[14]
Die Tendenzen der linguistischen
Stilforschung werden im Beitrag von B.
SANDIG zusammengefasst. Sie betont, dass sich die Stilistik innerhalb der 70er
und 80er Jahre kontinuierlich entwickelte. „Das Interesse gilt heute besonedrs
der Vielfalt und Verschiedenheit von Stilen, den gesellschaftlichen Zwecken von
Stilvielfalt und den linguistischen Möglichkeiten ihrer Beschreibung. Neben
Textlinguistik, Textsortenstilistik und Pragmatik haben besonders die
Gesprächslinguistik und die […] Soziolinguistik
zur Entwicklung beigetragen.“ (SANDIG, 1995, 27). Für die Stilbeschreibung seien Ergebnisse anderer linguistischer
Teilbereiche relevant, z.B. die Sprachverwendung in den Medien,
Jugendsprachforschung, Fachsprachenforschung, Sprache in der Politik,
Stilprobleme beim Übersetzen u.a. Zu den Teildisziplinen, die für die Stilistik
von Bedeutung sind, gehört auch die Phraseologie (Phraseostilistik).
B. SANDIG hebt in Anlehnung an die
„Klassikerinnen der Stilforschung“ E. RIESEL und E. SCHENDELS (Deutsche Stilistik. Moskau 1975) hervor,
dass jede Äußerung und jeder Text einen Stil haben, gleichgültig, ob auffällig
stilisiert oder stilistisch „neutral“. Sie definiert den Stil als „sozial
relevante Art der Durchführung einer Handlung mittels Text oder interaktiv als
Gespräch. Diese Art der Handlungsdurchführung wird durch Eigenschaften des
Textes oder des Gesprächs im Kontext ausgedrückt und ist bezogen auf
Komponenten der Interaktion; in Bezug
auf diese wird die Handlung mit stilistischem Sinn angereichert.“ (SANDIG,
1995, 28).
Während B. SANDIG vorwiegend die
kommunikativ-pragmatischen Gegebenheiten in den Vordergrund stellt, verstehen
FLEISCHER/MICHEL/STARKE unter dem Stil die Art der sprachlichen Ausgestaltung
von Textstrukturen, der Schwerpunkt liegt
auf der Formulierungsebene. (vgl. FMS, 1993, 15f). In dieser Konzeption
wird jedoch betont, dass der Stil nicht nur in der sprachlich-strukturellen
Ausgestaltung des Textes besteht. „Das Formulieren (als Prozeß) oder die Formulierung (als Produkt) ist nicht
einseitig als sprachliche ´Realisierung´
hierarchisch vorgängiger Ebenen der Textproduktion zu sehen, vielmehr
ist der formulativen Ebene selbst eine textkonstitutive Potenz in der Hinsicht
zuzsprechen, daß sie die anderen Ebenen des Textes bzw. der Texterzeugung mit
determiniert.“ (FMS, 1993, 16).
Der heutigen Forschungslage entsprechend
lässt sich zusammenfassend feststellen, dass der Stil sich im Kommunikationsprozess
(im Zusammenhang mit der Situation, der Intention des Textproduzenten, der
Funktion) konstituiert und in der Einheitlichkeit des Textes entsteht.
Die Gesamtheit aller in einem Text verwendeten Stilelemente in ihrem
Zusammenwirken macht den Stil aus. Man richtet sich in der Regel nach
spezifischen Stilmustern, wobei individuelle Freiräume in Bezug auf einige
Tetxsorten nicht ausgeschlossen sind.
Stil kann also einerseits als Realisierung
der Textoberfläche, ein WIE, angesehen werden. Andererseits stellt der Stil
auch das WAS dar, er liefert eine spezifische (sekundäre) Information über die dem Text zugrunde liegende
Situation, über die sozialen Beziehungen zwischen dem Textproduzenten und
–rezipienten und über das Verhältnis des Textproduzenten zur Sprache selbst
(Konventionalität versus Originalität). (vgl. FIX/Koll. , 2002, 26f).
Die Stilistik und der Stil stellen auch
weiterhin in der linguistischen Diskussion ein weites und lebendiges
Arbeitsfeld dar mit vielfältigen Überschneidungen zu anderen Bereichen. (vgl.
SANDIG, 1995, 40).
2. Stilanalyse
2.1. Wesen der Stilanalyse
Die Überlegungen hinsichtlich der Stilistik
und des Stils sollten schließlich in konkreten stilistischen Textanalysen ihre
Anwendung finden. Erst die stilistische Arbeit an Texten kann die eine oder
andere Stiltheorie bestätigen oder widerlegen. Wie U. PÜSCHEL betont, über die
Stilanalyse zu reden, sei gewiss eine nützliche Sache, viel interessanter wäre
jedoch, Stilanalysen vorzunehmen, denn die wirkliche Herausforderung bringe
erst die Praxis. (vgl. PÜSCHEL, 1995, 303).
Das Problem bei der stilistischen Textanalyse besteht darin, ob man ein methodisches Verfahren benötigt
oder ob es eher gilt, „… die eine oder der andere Analysierende erreicht mit
Intuition und Fingerspitzengefühl mehr
als so mancher mit seinem methodischen Vorgehen.“ (ebd., 309). U. PÜSCHEL meint damit, dass es entsprechend
der Komplexität und Unübersichtlichkeit des Sprachstils keine einfache
Anleitung für die Stilanalyse gebe. Ebenso wenig gebe es eine Abfolge von
Analyseschritten, die einfach abgearbeitet werden könnten.
Dennoch kann man vor sowie nach der
kommunikativ-pragmatischen Wende in der Linguistik auf Darstellungen von
Methoden der Stilanalyse stoßen, deren Wichtigkeit sich vor allem aus
didaktischen Gründen ergibt.
2.2.Stilanalyse vor der kommunikativ-pragmatischen Wende
(strukturalistisch,
funktionalstilistisch)
Die Traditionen der Stilanalyse reichen bis
ins 19. und frühe 20. Jahrhundert. Sie bezogen sich vor allem auf literarischeTexte, an denen sie meistens die
rhetorischen Figuren zu ermitteln suchten. Eine Änderung bedeuteten erst die
individualistisch- psychologisch orientierten Untersuchungen LEO SPITZERs. „LEO
SPITZER gehört zu den frühesten Praktikern der Stilanalyse, die ihr Vorgehen
methodisch skizzierten. Seine Stilanalyse kennt folgende Stufen: 1. Intuitive
Detailbeachtung; 2. Feststellung von Gemeinsamkeiten in scheinbar Zufälligem;
3. Rückschluß auf den Seelenzustand des Verfassers beim nochmaligen Lesen des
Ganzen, wobei auch das Formprinzip des Ganzen erschlossen wird. Die
hermeneutisch wie psychologisch ausgerichtete Methode geht also von einzelnen
Auffälligkeiten aus und sucht von ihnen aus das Ganze als Sinneinheit zu
erfassen.“ (SOWINSKI, 1991, 144).
Die „werkimanente“ Interpretation W. KAYSERs
geht ähnlich vor, gibt jedoch die psychologische Orientierung zugunsten einer
strukturell-semantischen auf (Prager Schule). Erst mit der werkimanenten
Interpretation erfolgt die volle
Berücksichtigung der Rolle des Stils für die literarische Struktur eines Textes
und der Rolle des Stilinterpreten als Vermittler der Einsichten und
Zusammenhänge (vgl.ebd.). W. KAYSERs Das
sprachliche Kunstwerk (1948) gilt als die erste methodische Einführung in
die Literaturwissenschaft, die auch die Stilphänomene (Stilelemente, Stilzüge)
mit einbezieht.
In der linguistischen Stilanalyse nach 1945
spielen zwei Stilforscher eine wesentliche Rolle: ELISE RIESEL und GEORG
MICHEL. Die Stilforscherin österreichischer Abstammung E. RIESEL hat immer
versucht, ihre stiltheoreischen Arbeiten mit konkreten Stilanalysen zu
ergänzen.[15] Sie unterscheidet drei
Arten der Stilanalyse: 1. die semantisch-stilistische Methode; 2. die strukturelle Methode; 3. die statistische Methode. Die strukturelle
Methode wird als Ergänzug der favorisierten semantisch-stilistischen Methode
angesehen. Ihre Stilanalyse umfasst folgende Schritte: a) kurze funktionale
bzw. literarische Charakteristik des Textes; b) kurze Angabe des expliziten Inhalts
und der implizit mitschwingenden Gedanken; c) Textkomposition; d)
sprachstilistische Ausformung der Textkomposition. Einen besonderen Wert legt sie gerade auf die
Textkomposition und stilistische bzw. künstlerische Darbietungsformen
(Darstellungsarten, Gestaltungsweisen), worin bereits der pragmatische Aspekt
ihrer Stilanalyse zum Ausdruck kommt. (vgl. SOWINSKI, 1991, 153f).
Zu den Standardwerken der Stilanalyse vor der kommunikativ-pragmatischen Wende
gehört das unter Leitung von G. MICHEL verfasste Lehrwerk.[16]
Die in diesem Werk beschriebene Methode der Stilanalyse besteht in drei
Analysestufen:
1)
das Erfassen des Redeganzen;
2)
das Erfassen der Stilelemente;
3)
das Erfassen der Stilzüge.
Danach folgt noch
eine Synthesestufe: die Stilbeschreibung.
(vgl. MICHEL, 1968, 74ff).
Beim Erfassen des Redeganzen wird einerseits der Wert auf den Inhalt (Sachverhalt)
sowohl bei nichtkünstlerischen als auch bei künstlerischen Texten gelegt,
andererseits werden Architektonik und Komposition des Textes vermittelt. Beim
Erfassen der Stilelemente setzen die
Autoren die Kenntnisse der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten auf allen Ebenen
des Sprachsystems (phonetische,
morphologische, syntaktische und vor allem lexikalische Sprachmittel) voraus.
Anstelle einer spontanen unsystematischen Auflistung von Stilelementen
schlagen sie jedoch eine Reihe von Aspekten vor, unter denen die Stilelemente
systematisiert werden können. Die lexikalischen Stilelemente z.B. können unter dem semantisch-begrifflichen und
semantisch-expressiven Aspekt nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Stilschichten oder nach ihren Stilfärbungen betrachtet werden. Weiterhin können die Wörter und Wendungen
nach dem historischen Aspekt (Archaismen,
Neologismen), regionalen Aspekt (Dialektismen),
fachsprachlichen Aspekt (Termini),
Fremdwortaspekt (Fremdwörter,
Internationalismen), sozialen Aspekt (soziale
und Berufsjargonismen),
phraseologischen Aspekt (Idiome,
Kommunikationsformeln) und Wortbildungsaspekt erfasst werden. Bei der
Analyse der Stilzüge wird von der
Häufigkeit (Frequenz) und Verteilung (Distribution) der Stilelemente
ausgegangen. Die Stilzüge, die den
betreffenden Text prägen, ergeben sich
aus dem Zusammenwirken der Stilelemente. [17]
Die methodischen Anweisungen von E. RIESEL
und G. MICHEL erweisen sich für die Analysierenden als sehr praktikabel und
übersichtlich. Die Beispiele der literarischen Einzelanalysen stießen
jedoch auf eine kritische Betrachtung,
da sie nicht immer den Anforderungen einer literarisch-ästhetischen
Stilinterpretation gerecht werden, makrostilistische Aspekte, z.B.
Erzählhaltungen, wenig zur Geltung kommen und die historischen und
ideologischen Herleitungen und Zuordnungen heute natürlich fragwürdig wirken.
(vgl. SOWINSKI, 1991, 150).
2.3. Stilanalyse nach der kommunikativ-pragmatischen
Wende
Die Pragma- und Textlinguistik, die sich
seit den 70er Jahren in der Sprachwissenschaft etablierten, liefern der
Stilistik einen neuen Begriffsapparat für die stilistische Textanalyse; es werden Kategorien wie Sprachhaldlung, Handlugs-, Formulierungs- oder Stilmuster eingeführt (SANDIG,
1986).
Im Zusammenhang mit der
kommunikativ-pragmatischen Neuorientierung in der Stilistik der 80er Jahre hat
auch G. MICHEL einen neuen Ansatz vorgeschlagen, der ein handlungstheoretisch
durchstrukturiertes Textebenenmodell mit einbezieht.[18]
Den gemeinsamen Untersuchungsgegenstand der
Textlinguistik sowie der Stilistik stellt der Text dar. Der Text als als
eine äußerst komplizierte Erscheinung mit einer komplexen, mehrdimensionalen
Struktur weist mehrere Strukturebenen auf. Die Textforscher sprechen von einem Mehr-Ebenen-Zugang zur komplexen
Struktur von Texten, ihre Textmodelle beschränken sich jedoch vorläufig nur auf
einige Struktur- und Funktionsebenen des Textes. D. VIEHWEGER unterscheidet
zwischen einer propositionalen und einer aktionalen
Ebene (Illokutionsebene) des Textes. Durch das sprachliche Handeln werden
einerseits kognitive Inhalte auf der propositionalen Ebene ermittelt,
andererseits werden durch die Illokutionen die Ziele des Textproduzenten auf
der aktionalen Ebene präsentiert. (vgl. VIEHWEGER, 1983, 156f). Diesen beiden
Strukturebenen des Textes wird die stilistisch-formulative
Ebene untergeordnet, auf der sich der Stil manifestiert. Die stilistisch-formulative Ebebe übt eine
Teilfunktion innerhalb des komplexen, mehrdimensionalen Textgestaltugsprozesses
aus. Formulierungsprozessse sind einerseits den funktional-kommunikativen
Regularitäten und Prinzipien der Texterzeugung im Rahmen der jeweiligen
Kommunikationsaufgabe und andererseits den grammatisch-semantischen
Regularitäten des Sprachsystems unterworfen. Es wird hervorgehoben, dass die
stilistische Funktion und Information, die in der formulativen Leistung
besteht, niemals ohne Bezugnahme auf die propositionale und aktionale
Textkomponente erfasst werden können. (vgl. MICHEL, 1988, 300). Im Zusammenhang mit der
Textkompositionsstruktur spricht G. MICHEL von einer themenbedingten und einer verfahrensbedingten
Strukturebene des Textes. Die themenbedingte
(topikale) Strukturebene ergibt sich aus dem Thema des Textes. Durch die Wiederaufnahme eines in dem Text
angeführten Objekts entstehen Ketten semantisch äquivalenter Textelemente, mit
denen ein bestimmtes Thema durchgehalten wird. Bei der Untersuchung der themenbedingten
Ebene werden verschiedenartige Relationen im Text betrachtet, die auf der
Bedeutungsähnlichkeit zwischen einzelnen Wörtern und Wortgruppen beruhen, d.h.
Synonyme, Hyperonym-Hyponyme, Antonyme,
Tropen und Stilfiguren (Metapher, Periphrase, Litotes usw.). Das
Wesen der verfahrensbedingten Ebene
besteht in der Wahl bestimmter Verfahren, durch die das Thema/die Themen
entfaltet werden Es kann sich um Stilverfahren wie Berichten,
Erzählen, Beschreiben, Erörtern, Argumentieren u.a. handeln, die wiederum
durch verschiedenartige stilistische Mittel realisiert werden. (vgl.
MICHEL, 1980, 436ff).
Nach der Bahnbrecherin der Stilauffassung
nach der kommunikativ-pragmatischen Wende B. SANDIG wird der Stil als Vollzug sprachlicher Handlungen
verstanden. Er wird auf die realisierten Zusammenhänge zwischen den
Illokutionstypen und Äußerungsarten zurückgeführt, also auf die Formulierung.
Illokutionstypen können sprachlich verschiedenartig realisiert werden, sie sind
als pragmatische Größe für die Auswahl und Anordnung sprachlicher, d.h.
grammatischer und lexikalisch-semantischer Mittel und Konstruktionen geeignet.
Obwohl B. SANDIG (1978, 1986) sich vor
allem mit Ausführungen einer pragmatischen Stiltheorie beschäftigt,
versucht sie ihre Überlegungen auch an kürzeren Sachtexten (Horoskope, politische Kommentare,
Schüleraufsätze, Interviews) zu bestätigen. Da nach ihrer Konzeption
konventioneller Stil oder Stil von Gebrauchstexten grundsätzlich pragmatischen
Charakter besitzt, insofern er Konventionen sprachlichen Handelns beschreibt,
Handlungsmustern oder bestimmten von ihnen abhängigen Stilmustern folgt, stand
die Erfasssung stilrelevanter pragmatischer Kategorien bei ihr an erster
Stelle, die sprachstilistische Ausformulierung blieb sekundär.
Diese Auffassung änderte B.
SANDIG gewissermaßen in den 90er Jahren des 20. Jhs. zugunsten einer
ganzheitlichen Stilanalyse, die nicht
nur auf die kommunikativ-pragmatische Ebene des Textes beschränkt bleibt. „Eine Methode, Texte ganzheitlich stilistisch
zu analysieren, besteht in folgendem: Man beschreibt ein Textmuster als Zusammenhang von typischer
Verwendungssituation, sozialem Zweck und Strukturvorhaben und fragt dann
danach, wie dieses im konkreten Fall realisiert ist…“ (SANDIG, 1995, 41). Die konkrete Realisierung besteht in der
Beschreibung der Elemente einer stilistischen Struktur (graphostilistische
Mittel., Lexik, Syntax). Man kann sich bei der Ermittlung von Stilelementen auf
Beschreibungen der diversen Typen von Stilelementen konzentrieren, die auf deren
mögliche Funktionen in Texten und Gesprächen zielen, z.B. das vielfältige
stilistische Potential von Redewendungen und Eigennamen. Eine andere Tendenz
besteht darin, Typen von Stilelementen so zu beschreiben, dass sie auf
umfassendere Bildungsprinzipien (Ähnlichkeit, Kontrast, Kontiguität)
zurückzuführen sind, die dann sehr verschiedenartige Elemente erfassen (vgl.
ebd., 46f). Mit diesem neuen Vorschlag
einer Stilanalyse schlägt B. SANDIG einen Bogen von den pragmatischen
Kategorien zu den Stilelementen, in deren Ermittlung letztenendes das Wesen der
praktischen stilistischen Leistung
besteht.
Von den Ausführungen B. SANDIGs geht U.
PÜSCHEL[19]
aus. Er rekapituliert die bisherigen Methoden der Stilanalyse, indem er
auf zwei Extrempositionen hinweist: auf
die „ Nicht-Methode“ (in Anlehnung an LEO SPITZER) einerseits und auf strenge
Methoden mit präziser Abfolge von Analysschritten andererseits. Weder die eine
noch die andere Methode, weder „Adlersperspektive“, noch „Froschperspektive“
seien die Lösung, sondern zwischen beiden Perspektiven hin und her zu springen,
sie aufeinander zu beziehen und zwischen ihnen zu vermitteln, so lautet seine
Empfehlung (vgl. PÜSCHEL, 1995, 310). Davon leitet er acht Merksätze für die Stilanalyse ab, die sowohl pragmatische als
auch liguistische Aspekte mit einbeziehen. Die Methode der Stilanlyse von U.
PÜSCHEL besteht also nicht in streng gehaltenem Nacheinander von genau
festgelegten Schritten, sondern in Hinweisen und Ratschlägen, die nicht
systematisch aufgezählt werden, dennoch von großer Bedeutung für den
Analysierenden sind und die Vielfältigkeit der Gesichtspunkte zum Ausdruck
bringen.
Von den acht Merksätzen sind diejenigen
hervorzuheben, die die Kenntnisse auf möglichst vielen Gebieten der Linguistik
(morphologische, syntaktische, lexikalisch- semantische Ebene des
Sprachsystems) betonen (Merksatz drei)
und die die Aufmerksamkeit auf die sprachlichen Handlungen, ihre konstitutiven
und Organisationsmuster lenken (Merksatz
vier). Gerade in der Herausarbeitung der konstitutiven Muster oder
wesentlichen Texthandlungen sieht U. PÜSCHEL einen guten Ansatzpunkt für die
Stilanalyse, da mit ihnen gezeigt werden kann, um was für eine Art von Text es
geht. So lassen sich in einem Text beispielsweise konstitutive Muster wie ERINNERN,
BEWERTEN, VORAUSSAGEN, DANKEN, GRÜßEN, GEDENKEN, APPELLIEREN u.a. herausfinden,
und es ist von stilistischem Interesse zu ermitteln, wie sie sprachlich
realisiert werden. Man soll darauf achten, wie FORTGEFÜHRT wird, ob Muster
WIEDERHOLT, VARIIERT, GEMISCHT, VERSCHOBEN, GEWECHELT werden, ob von Mustern
ABGEWICHEN wird (Merksatz sechs). Auf
der Liste der sprachstilistischen Realisierungen stehen die Satzgliedstellung,
die personale Deixis, die Wortwahl, sprachliche Bilder, auffällige
Ausdruckweisen, Partikeln, Gebrauch von Kohärenzmitteln.
Außer den sprachwissenschaftlichen
Kenntnissen soll man sich so viel
Informationen wie möglich über die Handlungsbeteiligten und ihre Rollen, über
den kommunikativen Zusammenhang, in dem der Text steht, über den Hintergrund,
die Vor- und Nachgeschichte und über die politischen, ökonomischen,
gesellschaftlichen sowie medialen Rahmenbedingungen des Textes verschaffen (Merksätze eins, zwei, sieben, acht).
Für die Stilanalyse gibt es keine entgültige
Rezeptur, es hängt sehr viel von bestimmten Erfahrungen und Begabungen der
Stilanalysierenden ab, wie sie an den Text herangehen werden. Aus didaktischen Gründen ergibt sich jedoch
eine gewisse Notwendigkeit, den Studierenden, vor allem den Anfängern und
Nicht-Muttersprachlern, einige Anweisungen zu geben, damit sie im Stande sind,
den Text entsprechend den Anforderungen der gegenwärtigen Stilistik zu
analysieren.
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[1] Vgl. Ulf ABRAHAM: StilGestalten. Tübingen 1996, XI
[2] Vgl. FLEISCHER/MICHEL/STARKE: Stilistik der deutschen Gegenwartssprache. Frankfurt am Main etc. 1993, 13
[3] Die antike Rhetorik (Kunst der Rede) wird als Vorläuferin der Stilistik angesehen. Bei der Redegestaltung sind fünf Teile zu beachten: inventio (Stoffsammlung), dispositio (Stoffordnung), elocutio (Formulieren), memoria (Einprägen der Rede) und pronuntiatio (Vortrag). Für die Stilistik ist elocutio von größter Bedeutung geworden, dazu kommt noch die Ausschmückung der Rede mit Tropen und Stilfiguren. (vgl. FIX u. Koll., 2002, 28f.)
[4] Vgl. U. FIX/Koll. 2002, 30; U. PÜSCHEL, in: STICKEL (Hrsg.) 1995, 303ff.
[5] Als Hauptvertreter der werkimmanenten Interpretation gilt jedoch EMIL STAIGER, der zwar nicht so systematisch an das Kunstwerk herangeht, aber stärker die Einheitlichkeit der künstlerischen Gestaltung im Stil betont. (vgl. SOWINSKI 1991, 30f).
[6] Über die Beiträge der
Prager Schule zur strukturellen Sprachbetrachtung und Spracherziehung
informiert der von E. BENEŠ und J. VACHEK
herausgegebene Sammelband Stilistik und
Soziolinguistik, Berlin 1971
[7] E. RIESEL ist Autorin zahlreicher Werke zur deutschen Stilistik, z.B. Stilistik der deutschen Sprache, 2. Auflage, Moskau 1963; Stil der deutschen Alltagsrede, Moskau 1964; Deutsche Stilistik (zusammen mit E. SCHENDELS), Moskau 1975.
[8] Vgl. J. CHLOUPEK/Koll: Stylistika èeštiny. Brno 1991; J. MISTRÍK: Štylistika. Bratislava 1985.
[9] Vgl. B. SPILLNER: Linguistik und Literaturwissenschaft. Stilforschung. Rhetorik. Textlinguistik. Stuttgart 1974; B. SOWINSKI: Stilistik. Stiltheorien und Stilanalysen, Stuttgart 1991, 35ff.
[10] Die grundlegenden Werke zur pragmatischen Stilistik sind: B. SANDIG: Stilistik. Sprachpragmatische Grundlegung der Stilbeschreibung. Berlin 1978; B. SANDIG: Stilistik der deutschen Sprache. Berlin 1986. Von U. PÜSCHEL ist eine Serie von Aufsätzen erschienen (siehe Lit.verzeichnis)
[11] Vgl. U. FIX/Koll.: Textlinguistik und Stilistik für Einsteiger. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Frankurt am Main 2. Auflage 2002, 32 u. 35ff; J. MALÁ: Einführung in die deutsche Stilistik,. Brno 2003, S. 19ff, 27ff.
[12] Auf die Stilauffassung von B. SANDIG reagiert z.B. M. HOFFMANN (1988, 321-332), der für die Zusammenführung der von ihr entworfenen Textmustern und Stilmustern plädiert. Weiter vgl. G. MICHEL 1980, 1988 und U. FIX , 1988.
[13] Stil-Stilistik-Stilisierung. Linguistische, literaturwissenschaftliche
und didaktische Beiträge zur Stilforschung..
Hrsg. von EVA NEULAND u. HELGA BLECHWENN. Frankfurt/M. etc. 1991;
Beiträge zur Stiltheorie. Hrsg. von ULLA FIX. Leipzig 1990.
In dem erst
genannten Sammelband wird die Aufmerksamkeit in den einzelnen Beiträgen u.a.
der Differenzierung zwischen Alters- und Sozialgruppen, den Textsorten und dem
Stil im mündlichen vs. schriftlichen Sprachgebrauch gewidmet.
In dem Leipziger Sammelband werden vor allem die Ergebnisse der Leipziger Stilforscher präsentiert. Der Stil wird als theoretisches Problem (U. FIX) und als pragmatische Kategorie (M. HOFFMANN) dargestellt, in Sprachkommunikation und poetischer Kommunikation erörtert (M. FIRLE), und es wird auch auf die Methoden der Stilanalyse eingegangen (B. THORMANN-SEKULSKI zieht eine Zwischenbilanz in Bezug auf die Stilanalyse und leht sich dabei an L. SPITZER, G. MICHEL und G. LERCHNER an).
[14] Unter dem Titel Stilfragen wurde von G. STICKEL ein Sammelband mit Beiträgen aus dieser Tagung herausgegeben (Berlin-New York 1995). Im Sammelband sind sechzehn Vorträge von den bedeutendsten Stilforschern (z.B. B. SANDIG, G. LERCHNER, U. PÜSCHEL, I. KÜHN, J. ANDEREGG, B. SPILLNER, H. SITTA u.a.) enthalten.
[15] Am ausführlichsten wird die Methodik ihrer Stilanalyse in einem deutschsprachigen Lehrbuch Theorie und Praxis der linguostilistischen Interpretation (Moskau 1974) dargeboten.
[16] Einführung in die Methodik der Stiluntersuchung. Ein Lehr- und Übungsbuch für Studierende. Verfaßt von einem Autorenkollektiv unter Leitung von GEORG MICHEL. Berlin 1968
[17] Die Kategorie des Stilzuges wird besonders geprägt in: FLEISCHER/MICHEL Stilistik der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig 1975, 62ff. In der Stilistik der deutschen Gegenwartssprache (1993) wird dieser Kategorie weniger Aufmerksamkeit gewidmet.
[18] G. MICHEL: Linguistische Aspekte der Komposition im künstlerischen Text. In: Zeitschrift für Germanistik, Jg. 1, H. 4, 1980, S. 430-446; G. MICHEL: Aktuelle Probleme der Linguostilistik. In: Zeitschrift für Germanistik, H. 3, 1988, S. 291-306.
[19] Vgl. U. PÜSCHEL: Stilistik: Nicht Goldmarie – nicht Pechmarie. Ein Sammelbericht. In: Deutsche Sprache, Heft 1/1991, S. 50-67; U. PÜSCHEL: Stilpragmatik – Vom praktischen Umgang mit Stil. In: STICKEL, (Hrsg.) : Stilfragen. (...), Berlin 1995, S. 303-328.