Doc.
PhDr. Jaromír Zeman, CSc.
Ústav germanistiky, nordistiky a nederlandistiky
Filozofická fakulta Masarykovy univerzity
Von der Wiege bis zur Bahre
Einige Bemerkungen zu temporalen Adverbialia
Od kolébky ke hrobu
Nìkolik
poznámek k temporálním adverbiáliím
Schlüsselwörter:
Annotation: Einleitend wird die Klassifizierung der temporalen
Bestimmungen in den wichtigsten deutschen Grammatiken erörtert. Anschließend
folgt die Beschreibung des formal syntaktischen und inhaltlichen Aufbaus der
Zeitausdrücke vor allem an Hand von Belegen aus den Zeitschriften "Der
Spiegel" und "Stern". Es zeigt sich, dass die Ausdrucksmittel
einerseits für das genaue Verständnis vielfach auf das außersprachliche
"Weltwissen" bezüglich "Zeitpunkt/Zeitraum" angewiesen
sind, andererseits aber auch "behelfsmäßig" auf den
Vorstellungsbereich "Weg" des Direktionale zurückgreifen.
Anotace: Úvodem je zmínìna
klasifikace pøísloveèných urèení èasu v nejdùležitìjších nìmeckých gramatikách.
Následuje popis formální syntaktické a významové výstavby èasových výrazù
pøedevším na dokladech z èasopisù "Der Spiegel" a "Stern".
Ukazuje se, že tyto výrazy jsou jednak, pokud jde o pøesné chápání
"èasového bodu" a "èasového rozpìtí", èasto odkázány na
mimojazykové "vìdìní o svìtì", jednak ovšem také "nouzovì"
pøejímají pøedstavy z oblasti "cesta" pøísloveèných urèení smìru
(direkcionalií).
VON DER
WIEGE BIS ZUR BAHRE
Einige
Bemerkungen zu temporalen Adverbialia
0. Einleitung
Die traditionelle Grammatik klassifiziert bekanntlich die
Adverbialbestimmungen nach ihrer Form und ihrer Bedeutung.[1] Als ein zusätzliches Kriterium für die Aufteilung dieser ursprünglich als
einheitlich aufgefassten Funktionsklasse, die aus verschiedenen
Bedeutungsgruppen besteht, erscheint in neueren Darstellungen außerdem die
Valenz(un)abhängikeit der Elemente.[2] Es werden Ergänzungen (Komplemente) und Angaben (Supplemente)
unterschieden. Die herkömmlich als Temporalbestimmungen zu bezeichnenden
Adverbialia gehören vorwiegend zu Angaben; vgl.:
Es war eine
unglückliche Fügung von Pech und Pannen, die in nur zwölf Monaten die
scheinbar unendliche Erfolgsgeschichte jäh beendete. (Der Spiegel; 6.1.03;
S. 78)
Nur verhältnismäßig wenige Verben fordern
Temporalergänzungen (= Situativkomplemente), die einen Zeitpunkt[3] bezeichnen:
Die
berüchtigste Konferenz der Weltgeschichte begann um 12 Uhr mittags.
(Der Spiegel; 9.2.02; S. 48)Unerwartet schnell hat Kenias neuer Präsident
Mwai Kibaki Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, dass nun die
"neue Ära" begonnen hat, die er im Wahlkampf immer verkündete.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 85)
Robertsons
Amtszeit endet im Herbst, kann aber um ein Jahr verlängert werden.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 19)
Die meisten valenzabhängigen Zeitbestimmungen sind - wie
die Präpositionalphrase um ein Jahr im vorher zitierten Beleg - sog.
Mensural- oder Maßergänzungen (= Dilativkomplemente);[4] z.B.:
Der Ruhestand
währte nur acht Monate. (Der
Spiegel; 6.1.03; S. 80)
Anderthalb
Stunden dauerte die streng geheime Zusammenkunft. (Der Spiegel; 9.2.02; S. 48)
Auch sie sind unter kontextuellen Bedingungen
eliminierbar, wie im folgenden Beleg, in dem das Verb rhematisch ist und die
Bedeutung 'sehr lange' impliziert. Die Zeitspanne wird im Nachhinein
eingeschätzt.
Und die
Aufräumarbeiten werden dauern. Nicht vor 2007, sagen Branchenkenner
voraus, werde die Beraterriege sich von den derzeitigen zweistelligen
Umsatzrückgängen erholt und das Niveau
der späten neunziger Jahre wieder erreicht haben.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 78)
Die Duden-Grammatik gliedert die adverbialen Bestimmungen
der Zeit unter inhaltlichen Gesichtspunkten in drei Gruppen, je nachdem ob sie
einen Zeitpunkt, eine (zeitliche) Wiederholung oder eine (zeitliche)
Erstreckung angeben.[5]
Zeitpunkt:
Im August
1944 unterbreitete Churchill dem US-Präsidenten einen Plan für eine
"Operation Thunderclap" (Donnerschlag), bei der 220 000 Berliner bei
einem einzigen Großangriff von 2000 Bomben
verwundet oder getötet werden sollten. (Der Spiegel; 6.1.03; S.47)
Wiederholung:
Mehrmals
holten die Alliierten zu einem zermalmenden Vernichtungsschlag aus.
(Der Spiegel; 6.1.03; S. 47)
Erstreckung:
Stattdessen
will der Fast-Food-Konzern, der jahrzehntelang nur auf den von
Firmengründer Kroc vorgegebenen Restauranttyp setzte, neue Wege gehen. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 81)
Diese Einteilung findet sich allerdings bereits in den
"Grundzügen einer deutschen Grammatik"[6] und wird dann auch in der "Grammatik des Deutschen" referiert.[7] Hingegen werden in der "Grammatik der deutschen Sprache" die den
Zeitpunkt angebenden Supplemente mit den anderen "kontextspezifizierenden
Adverbialia" (lokal, kausal, konzessiv, final; = Situativa bei U.Engel[8]) zusammengefasst. Daneben erscheinen die Iterative (bzw. Frequentative)
und die Durative[9] unter der Bezeichnung "quantifizierenden Adverbialia" als
selbständige Klasse.[10] Eine andere Klasse wiederum bilden die durch ihre "Verbnähe"
oder "Verbbindung"[11] (= Valenzabhängigkeit) charakterisierbaren Adverbialkomplemente, die in
Situativ-, Direktiv- und Dilativkomplemente zerfallen.[12] Die beiden Kriterien - Valenz und Semantik - überschneiden sich.
Belegsätze für temporale kontextspezifizierende und quantifizierende
Adverbialia sowie Situativ- und Dilativkomplemente mit zeitlicher Bedeutung
haben wir oben angeführt, temporal zu interpretierende Direktivkomplemente
beruhen - wie die folgende Textstelle zeigt - auf metaphorischer Übertragung.
Die andere
Möglichkeit war erhängen. Mit dem Nachteil, dass der Geist des Erhängten nicht
heimgeführt wurde von der Familie seiner mütterlichen Vorfahren und fortan als
Irrgeist durch die Ewigkeit raste.
(Stern; 9.1.03; S. 33)
Es ist auffällig, dass die semantische Klassifizierung
zwar nicht völlig aufgegeben, durch die Verteilung der temporalen Adverbialia
auf mehrere Funktionsklassen jedoch in ihrer Bedeutung für die syntaktische
Beschreibung dieser Elemente stark relativiert wird. Dies erweist sich als
berechtigt und wird durchaus verständlich, wenn man die zunächst einleuchtenden
Begriffe "Zeitpunkt", "Zeitspanne", "Wiederholung"
bei der Analyse konkreter Texte anwenden will. Die betreffenden Ausdrücke
lassen sich nämlich nicht in jedem Fall so eindeutig interpretieren, dass man
sie immer ohne weiteres einer der drei Gruppen zuweisen könnte. Vgl. z.B.:
Dort, wo früher
üppige Gärten waren, modern abgerissene Bananenstauden und Kassava-Sträucher im
prallen Sonnenlicht. (STERN;
9.1.03; S. 32)
Obwohl die Temporalangabe früher[13] nur mit wann? und nicht mit wie lange? erfragbar ist,[14] ergibt sich für den Leser bereits auf Grund seines "Weltwissens",
dass es sich um einen (wahrscheinlich längeren) Zeitabschnitt handeln muss,
denn üppige Gärten entstehen auch in den Tropen normalerweise nicht über Nacht.
Die Bedeutung von früher impliziert also in diesem Kontext zugleich
zeitliche Ausdehnung.
1. Der 'formalsyntaktische Aufbau' der
Zeitausdrücke
Bevor wir auf solche Schwierigkeiten und einige weitere
Probleme anhand von Textbelegen eingehen, soll hier noch die Form der
Temporaladverbialia besprochen werden. Bekanntlich fungieren häufig Adverbien,
zum Teil auch genitivische und akkusativische Nominalphrasen sowie vor allem
Präpositionalphrasen als Zeitausdrücke.
Die Regierung
stellt jetzt ein völlig neues Arbeitsprogramm für dieses Jahr auf.
(Stern; 9.1.03;
S. 42)
Die
Nivea-Creme der DDR hieß Florena, und es gibt sie noch. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 138)
Der alte Mann
ist dankbar für die leichte Brise, die hin und wieder vom Pazifik
herüberweht. (Stern; 9.1.03; S.
38)
Vorab
vergrabene Nahrungsvorräte, vor allem Gemüse, Wurzelknollen und Obst aus den
Gärten, reichen noch für zwei Wochen. (Stern; 9.1.03; S. 38)
Eines
Abends fischten die Frauen auf dem Riff.
(Stern; 9.1.03,
S. 33)
Vorige
Woche hat Israels zentrales Wahlkomitee den prominentesten arabischen
Abgeordneten, Azmi Bishara, von der Knesset-Wahl am 28. Januar ausgeschlossen:
...
(Stern; 9.1.03;
S. 27)
Und nach
der Besetzung Frankreichs versuchte Hermann Görings Luftwaffe im Sommer
1940, Großbitannien in die Knie zu zwingen. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 43)
Es gibt jedoch auch weitere Wortarten und Wortgruppen,
die als Adverbialia zeitliche Bedeutung haben:
Zahlwörter als Jahreszahlen:
Als die USA 1944
zwecks Vorbereitung der Invasion verstärkt zur Bombardierung von Bahnanlagen
übergingen, verwischten sich die Unterschiede zwischen britischen Flächen- und
amerikanischen Punktabwürfen. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 45)
22 Millionen
Euro haben die Klosterbetriebe 2001 umgesetzt.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 83)
Die einfache Jahreszahl tritt dabei in unseren Texten
viel häufiger auf, als sie - wie im folgenden Beleg - in der Verbindung mit dem
Präpositionalausdruck 'im Jahr(e)' vorkommt.
Bereits im
Jahr 2001, so hat der Brancheninformationsdienst "map-report"
kürzlich errechnet, stieg die Schadenquote, also der Anteil der Leistungsausgaben an den
Beitragseinnahmen, bei den großen Privatkassen von 77,5 auf 83 Prozent. (Der Spiegel; 13.1.03; S. 77)
Adverbial gebrauchte Adjektive bzw. Adverbien:[15]
Gleichzeitig
mehren sich die Krisenzeichen. (Der
Spiegel; 6.1.03; S. 80)
Aber
Verteidigungsminister Peter Struck schließt nicht aus, künftig in
derartigen Fällen ein solches Flugzeug notfalls abschießen zu lassen.
(Stern; 9.1.03; S. 25)
Es waren
Kunden, die kurz kamen und dann wieder gingen.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 82)
Polen hat kürzlich
48 US-Kampfflugzeuge des Typs F-16 für rund 3,5 Milliarden Dollar bestellt und
europäische Offerten verworfen. (Der
Spiegel; 13.1.03; S. 19)
Zeitz ging
nach Florenz, studierte dort Medizin, um letztlich doch auf Wirtschaft
umzusteigen. (Der Spiegel; 13.1.03;
S. 80)
Adverbial gebrauchte Adjektive (bzw. Adverbien) im
Positiv oder Komparativ,[16] die einen adverbialen Akkusativ als Maßangabe bei sich haben.
... zeigt der
Fall des Münchners Maximilian T. Einen Tag lang griff der damals 31-Jährige
im Stadtteil Oberföhring wahllos
Passanten an: ... (Der Spiegel; 13.1.03; S. 50)
Und als unser
Hubschrauber eine Woche später dort landet, empfängt uns eine Gruppe
freundlich lächelnder Menschen.
(Stern; 9.1.03;
S. 32.)
Das Adjektiv/Adverb hat mitunter eine Vergleichsphrase
als Attribut - auch in Distanzstellung - bei sich. Diese kann zusätzlich durch
andere attributive Ausdrücke erweitert sein.
Mehr als
50 Jahre nach dem Ende des barbarischsten Krieges in der
Geschichte der Menschheit kann man sich natürlich den Kopf darüber zerbrechen, ob die Aliierten den
Krieg "humaner" hätten führen können.
(Stern; 9.1.03; S. 15)
Der Vergleich muss nicht unbedingt Zeitliches ausdrücken.
Die Rückkehr
sollte länger dauern als gedacht. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 121)
In Berlin
wurde die Umstellung später als anderswo in Deutschland realisiert,
mitten im finanziellen Niedergang der Stadt. (Der Spiegel; 13.1.03; S. 52)
Umgekehrt steht die Vergleichsphrase mit zeitlicher
Bedeutung im folgenden Beleg als nähere Bestimmung (= Attribut) einer
modifikativen Angabe (bzw. eines Qualitativsupplements).
Briefe kamen
im 18. Jahrhundert manchmal schneller ans Ziel als heute.
(Der Spiegel;
9.2.02; S. 151)
Relativ häufig kommen Adverbialphrasen[17] vor, d.h. Wortgruppen, die aus zwei, seltener auch drei Adverbien
bestehen, wobei es sich im letzteren Fall um zwei verschiedene
Temporalbestimmungen handelt, die nebeneinander auftreten.
"Wir
haben bereits jetzt deflationäre Tendenzen", sagt
Wirtschaftsforscher Horn.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 73)
Schon bald,
so sind sich alle Experten einig, wird der Rabattexzess kontraproduktiv - und
der geschürte Geiz gefährlich. (Der
Spiegel; 13.1.03; S. 73)
Bald schon
wird die 370 Kilogramm schwere Forschungssonde, von einer Rakete ins All
geschleudert, zum Trabanten der Erde
schweben, um das Nachtgestirn mit Infrarotkamera und Röntgenteleskop
spektroskopisch zu erkunden. (Der
Spiegel; 6.1.03; S. 120)
Eigentlich
hatte er Arzt werden wollen, "immer schon", wie sein Vater.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 80)
Eichel lässt derweil
schon mal seine Verteidigungsstrategie vorbereiten.
(Der Spiegel; 13.1.03; S. 72)
Grün hatte
solche Übungen vorher schon jahrelang mit den Klosterschülern gemacht, doch so verblüfft
wie die Manager hatte er kaum einen Schüler erlebt.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 83)[18]
Als die
US-Botschaft Anfang der vergangenen Woche die deutschen Behörden davon
unterrichtete, dass ein Qaida-Spitzenfunktionär nach Frankfurt am Main komme
und um dessen Festnahme bat, mussten die Anti-Terror-Experten zunächst
einmal in ihren Akten blättern.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 34)
Schließlich findet sich das Adverb in Verbindung mit
einer Präposition, einer Präpositionalphrase, einem Zahlwort oder als
Bestandteil einer Adjunktorphrase usw.
Notfalls
müssen sie bis zum 18. Januar warten. Bis dahin nimmt der Mond zu, und
die Gezeiten werden stärker. (Stern; 9.1.03; S. 20)
Eine
Glücksinsel. Umso unverständlicher erscheint da jenes Phänomen, das - dank den Nachforschungen von
Raymond Firth - bis heute unter dem Stichwort Tikopia in
abendländischen Enzyklopedien auftaucht:
Selbstmord. (Stern; 9.1.03; S. 33)
Seit jeher
gilt der Mond als Inbegriff des Geheimnisvollen. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 121)
Eigentlich
müsste es ihnen in Krisenzeiten wie jetzt besonders gut gehen.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 78)
Schon vor
zehn Jahren ließen sich deshalb vier Mönche des katholischen
Redemptoristen-Ordens in einer Plattenbausiedlung in Brandenburg an der Havel
nieder, um die Umgebung ihres "Hausklosters" zu erschließen. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 65)
Zweimal im
Jahr läuft ein Polizeiboot die Insel an, aber nur bei ruhiger See kann es
festmachen. (Stern; 9.1.03; S. 34)
Irgendwann
1988 wurde Siegfried Benz auf Grün aufmerksam. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 83)
Es muss außerdem noch darauf hingewiesen werden, dass
Ausdrücke mit zeitlicher Bedeutung auch einen anderen Satzgliedwert als den
einer Adverbialbestimmung haben können. Sie werden z.B. als Subjekt, Objekt
oder Prädikativ realisiert.
Der 20.
Januar 1942 war ein herrlicher Wintertag. (Der Spiegel; 9.2.02; S. 48)
Es vergeht
kaum ein Tag, an dem der Bürger nicht belogen wird.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 112)
Natürlich
wirkt das Jahr 1848 vom Zeitalter des Euro aus gesehen unglaublich fern.
(Der Spiegel; 9.2.02; S. 158)
Nicht, dass
irgendwer das 18. Jahrhundert wieder aufleben lassen wollte - lebte doch
damals die große Mehrheit der Europäer im Elend. (Der Spiegel; 9.2.02; S. 149)
Kaum
auszudenken, wenn er krank würde, nicht sicher, ob sein Laden das nächste Jahr überlebt.
(Der Spiegel; 6.1.03; S.82)
Auf ein
hartes Jahr müssen wir uns einstellen, gab uns der Kanzler zu verstehen.
(Stern; 9.1.03;
S. 3)
Mein Bruder
ist elf Jahre alt und hat das Down-Syndrom; ... (Der Spiegel; 13.1.03; S. 16)
Häufig treten Zeitbestimmungen als Attribute auf
oder sind in diese integriert.
Die wochenlangen
Stolpereien nach der Wahl werden jetzt nachträglich zum strategischen
Vorspiel eines lange geplanten
Reformfeldzugs umgedeutet.
(Stern; 9.1.03; S. 3)
Der im Juli
2002 entlassene Scharping wurde zwar im Spätherbst in der Allianz-Zentrale
gesichtet, was Diplomaten dort als
Indiz für Interesse an dem Spitzenjob deuteten.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 19)
Wie die Lage
wirklich ist, zeigen schon die Schlagzeilen der vergangenen Woche:
...
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 25)
Nach seiner
Erfindung im Jahre 1554 zu Konstantinopel verbreitete sich das
Kaffeehaus im 17. Jahrhundert in ganz
Europa. (Der Spiegel;
9.2.02; S. 156)
2. Der 'inhaltliche Aufbau' der Zeitausdrücke
Der letzte Belegsatz zeigt uns bereits recht anschaulich
eine der Möglichkeiten, wie die zeitliche Situierung des verbalen Geschehens
bewerkstelligt, d.h. syntaktisch konstruiert wird: Auf welche Weise ein
Ereignis der außersprachlichen Realität als Zeitpunkt im Zeitstrom ausgewählt
und sprachlich festgemacht werden kann. Ein solches Ereignis - in diesem Fall eine
Erfindung - wird mit Hilfe des konventionalisierten Zeitsystems, nämlich
der christlichen Zeitrechnung, als in einem bestimmten Jahr, nämlich 1554,
stattgefunden konstatiert. Das Ereignis wird durch dieses Jahr, an sich eine
Zeitspanne von 365 Tagen, für das Orientierungsbedürfnis des Adressaten
zeitlich ausreichend gekennzeichnet und dabei gewissermaßen als ein zeitlicher
Grenzpunkt gesetzt, von dem an eine Entwicklung, nämlich die Verbreitung der
Kaffeehäuser in ganz Europa, ihren Anfang nimmt und während einer
Zeitspanne, die als 17. Jahrhundert bezeichnet wird, andauert. (Syntaktisch
wird der Zeitpunkt durch zwei aufeinander hypotaktisch bezogene
Präpositionalphrasen ausgedrückt.) Der weitere Text enthält dann Zeitangaben im
konventionellen Zeitsystem.
Das erste
entstand 1660 in London. 1663 gab es dort 82 Kaffeehäuser, 1734
waren es schon 551. (Der Spiegel; a.a.O.)
Im Prinzip kann
jedes beliebige Ereignis als zeitlicher Orientierungspunkt dienen. Die eizige
Voraussetzung ist, dass auch der Adressat ihn zeitlich einordnen kann.
"Bevor
diese Dekade zu Ende ist, werden wir Menschen auf den Mond bringen",
kündigte John F. Kennedy wenige Wochen nach der gescheiterten Invasion in
der Schweinebucht auf Kuba an.
(Der Spiegel; 6.1.03; S. 121)
Der zeitliche Orientierungspunkt in diesem Textbeleg (die
gescheiterte Invasion in der Schweinebucht auf Kuba) dürfte freilich
manchem jüngeren, in der neueren Zeitgeschichte weniger versierten Leser
bereits einige Schwierigkeiten bereiten, dem Autor gibt er jedoch die
Gelegenheit zu einer witzigen und zugleich etwas schadenfrohen Fortsetzung des
Textes:
Nachdem
sich das Karibik-Eiland nur 150 Kilometer vor der amerikanischen Küste dem
Zugriff entzogen hatte, nahm der US-Präsident nun das über
zweieinhalbtausendfach weiter entfernte
"Mare Serenitatis" ins Visier. (Der Spiegel; a.a.O.)
Darin werden zwei Ereignisse zeitlich aufeinander
bezogen, und dieser Bezug wird syntaktisch als ein Satzgefüge mit einem
temporalen Nebensatz realisiert. Dabei besteht hier die zeitliche
Relationierung darin, dass ein abgeschlossener Vorgang (der Entzug des Karibik-Eilands
vor dem Zugriff Amerikas) mit Hilfe der Subjunktion nachdem als
einem anderen Vorgang (der Ins-Visier-Nahme einer weit entfernten
Mondlandschaft durch den US-Präsidenten) zeitlich vorausgehend
charakterisiert wird. Genauso kann man bekanntlich zwei Ereignisse/Vorgänge als
im Verhältnis der Gleichzeitigkeit bzw. Nachzeitigkeit zueinander stehende
Sätze aufeinander beziehen. Dies geschieht mit Hilfe von temporalen
Subjunktionen, wie in unserem Belegsatz. Das darauf beruhende System der adverbialen
Temporalsätze[19] lässt sich als eine Art Grundlage für die "abgewandelte",
reduzierte Form der Temporalbestimmungen betrachten - die Präpositionalgruppen.
Dabei wird die zeitliche Relation durch eine Präposition, das Ereignis (bzw.
der Vorgang) durch ein (meistens deverbatives) Substantiv ausgedrückt.[20] Übrigens war die Relationierung von Ereignissen oder Vorgängen im Grunde
die ursprünglich einzige Möglichkeit der zeitlichen Situierung, denn die Zeit
als solche wird vom Menschen nicht wahrgenommen. Es sind die Veränderungen an
den Gegenständen seiner Umgebung und die Bewegung im Raum - Vorgänge (bzw. das
Ausbleiben solcher Veränderungen als Zustände) - die der Mensch registriert und
deren Bezeichnungen ihm anfänglich auch als Behelf dienten. Das zeigt nicht
zuletzt die Etymologie der sog. "Zeitnamen",[21] die - soweit ihre ursprüngliche Bedeutung noch rekonstruierbar ist -
vielfach in diese Richtung weisen.[22] Die Sprache benutzt also auch gegenwärtig noch diese "bewehrte
Methode", um Zeitverhältnisse zu erfassen. Die Zeitnamen und die auf ihnen
basierenden Zeitsysteme haben sich als eine bequeme, sprachökonomische
Möglichkeit der "absoluten Zeiteinordnung"[23] daraus entwickelt. Auf diese Weise
wird auch für den irritierten Leser des oben zitierten Artikels die unmittelbare
Fortsetzung des Textes endgültig Klarheit schaffen:
Der Rest ist
Geschichte. Am 21. Juli 1969 um vier Uhr morgens Mitteleuropäischer Zeit
hörten eine halbe Milliarde Menschen den legendären Satz: "Ein kleiner
Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit." (Der Spiegel; 6.1.03; S. 12)
Die Zeitbestimmungen markieren vielfach einen zeitlichen
Orientierungspunkt, den Anfang oder das Ende des verbalen Geschehens (= des
Vorgangs oder Zustands), als Grenzpunkt.
Seit den
siebziger Jahren existiert im niedersächsischen Uelzen eine
Schweigegemeinschaft aus Hunderten von Schülern, Männern und Familienvätern. (Der Spiegel; 13.1.03; S. 5)
Der Zeitraum, für den die Existenz der
Schweigegemeinschaft gilt, wird mit
Hilfe des konventionellen Zeitsystems bestimmt, indem auf den Anfang des
Geschehens verwiesen wird. Im Augenblick der "Sprechzeit" besteht
diese Gemeinschaft fort, und die Zukunft ist ihrer weiteren Existenz gegenüber
offen. Hier ist ohne weiteres sowohl die Frage seit wann? als auch wie
lange? möglich.
Analoges gilt auch für den folgenden Beleg:
So konnten die
Alliierten ihre Strategie der Städteverbrennung bis zum Mai 1945 nahezu
ungehindert fortsetzen. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 50)
Durch die Präpositionalphrase wird das Ende der im
verbalen Geschehen benannten Tätigkeit (nämlich: der nahezu ungehinderten
Fortsetzung der Strategie der Städteverbrennung durch die Alliierten)
markiert. Auch hier könnte neben bis wann? wohl etwas weniger genau wie
lange? gefragt werden.
Solche Zeitangaben bilden - wie aus dem folgenden Beleg
ersichtlich - eine Art Übergang zwischen den 'reinen' Temporal- und den
Durativadverbialia;[24] vgl.:
"Ich bin
bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." (Der Spiegel; 13.1.03; S. 46)[25]
Die Bedeutung des Durativs alle Tage wäre auch
ohne seine verbale Realisierung dem Sinn des Satzes zu entnehmen, denn
inhaltlich ergibt sie sich aus der Bedeutung des anderen Adverbiale: Aus der
Kombination der Präpositionen bis zu, die zeitliche Ausdehnung
signalisieren, und der Nennung des Grenzpunktes Ende der Welt.
Allerdings schwingt in der Bedeutung von alle Tage auch eine iterative
Komponente mit. Dadurch wird paradoxerweise der Eindruck einer ständigen, ja
ununterbrochenen Anwesenheit des "Ich" evoziert und zusätzlich
wohl noch verstärkt.
Der adverbiale Akkusativ ist auch in den folgenden
Belegen ein duratives Adverbiale (Frage: wie lange?):
Zehn Jahre
müssen die Unterlagen aufgehoben werden. (Stern; 9.1.03; S. 44)
Eine
Studentin, die noch eine Weile im Schutzraum der Universität bleiben
will, "bis alles wieder besser wird". (Der Spiegel; 6.1.03; S. 140)
Fast zwei
Tage setzt sich der Wirbelsturm über der abgelegenen Südsee-Insel fest.
(Stern; 9.1.03;
S. 32)
"Zwei
Stunden haben wir dort oben ausgeharrt", sagt Motu. (Stern; 9.1.03; S. 36)
Dagegen kann diese Konstruktion ebenso einen Zeitpunkt
ausdrücken bzw. als ein Zeitpunkt (Frage: wann?) aufgefasst werden.
Selbstbewusst
stürzte sich der Kanzler vergangene Woche in die heiße Wahlkampfphase in
Hessen und Niedersachsen. (Der
Spiegel; 13.1.03; S. 36)
Die einen "Zeitpunkt" bezeichnende
Präpositionalphrase scheint u.U. mit einem solchen Akkusativ fast synonym zu
sein, wie die folgende Textstelle zeigt:
"Die CSU
möchte alles dazu beitragen, dass die Sanierung Deutschlands gelingt",
sagte Parteichef Edmund Stoiber treuherzig auf der Klausurtagung der
CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth in der vergangenen Woche. (Der Spiegel; 13.1.03; S. 37)
Eine typische Konstruktion zur Bezeichnung der zeitlichen
Ausdehnung besteht aus der Präposition über, dem Zeitnamen und dem
Adverb hinweg.
Doch über
Jahrhunderte hinweg war es das Privileg der Kirche, ihre Toten selbst zu
bestatten. (Der Spiegel; 9.2.02; S.
61)
Einen in Bezug auf seine Ausdehnung nicht näher
spezifizierten Zeitraum - ein lediglich fortdauerndes, nicht eingegrenztes
Bestehen - bezeichnet der lexikalisierte Präpositionalausdruck auf Dauer.
Der Satzinhalt erscheint wohl in der Regel negiert.
Auf Dauer
kann man nicht beides haben - die militärische Allpräsenz und die führende
Position auf dem Weltmarkt. (Der
Spiegel; 6.1.03; S. 38)
Die Präpositionen binnen, innerhalb, während
markieren einen geschlossenen Zeitabschnitt.[26] Eine ensprechende, wohlgeformte Frage müsste die Präposition enthalten: binnen/innerhalb/während
welcher Frist?
Der Einsicht
müssen ja nicht binnen 24 Stunden Taten folgen. (Stern; 9.1.03; S. 3)
Hensels Suche
nach der verlorenen Kindheit gelangte schnell auf die Bestsellerlisten (bislang 110 000
verkaufte Exemplare), ihre Recherche
du temps perdu machte die Autorin innerhalb weniger Wochen bekannt im ganzen Land. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 138)
Während der
letzten 200 Jahre hat sich Europa selbst zerrissen und franst an den
Rändern noch immer aus - in Irland, Russland, auf dem Balkan. (Der Spiegel; 9.2.03; S. 149)
Phrasen mit anderen Präpositionen können ebenfalls
Zeitabschnitte bezeichnen.
Die
Entscheidungen, die in den nächsten Wochen getroffen werden, formen die
weltpolitische Geografie für die kommenden Jahre. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 56)
Die entsprechenden Fragen würden lauten: wann?, für
welche Zeit? Dass ein Zeitabschnitt als Zeitpunkt aufgefasst wird,
resultiert wohl letztendlich aus der Bedeutung solcher Zeitausdrücke: Da jeder
noch so flüchtige Augenblick eine gewisse zeitliche Erstreckung aufweist, sind
die Zeitausdrücke in Bezug auf ihre zeitliche Ausdehnung sprachlich zwar
vielfach als Zeitpunkt oder Zeitspanne spezifiziert, werden jedoch vom
Sprachteilhaber auf Grund seines "Weltwissens" unbewusst adäquat
interpretiert.[27] Die andere Präpositionalphrase mit für zeigt außerdem Affinität zu
Finalbestimmungen.
Auch der präpositionale Ausdruck 'im Laufe (der Zeit)'
fungiert bereits wie eine Präposition.
Dies alles
erklärt freilich nicht, weshalb im Laufe der Generationen Hunderte von
Menschen, die offenbar im Paradies
lebten, eines Tages freiwillig zur Hölle fuhren.
(Stern; 9.1.03;
S. 33)
Der Zeitraum - die zeitliche Ausdehnung - kann ebenso wie
der Zeitpunkt entweder mit Hilfe konventioneller Zeitnamen bezeichnet werden,
die als Resultat menschlicher Beobachtungen ursprünglich vielfach von
Naturvorgängen abgeleitet sind (Tag, Monat, Jahr u. dgl.) und deren
Zeitausdehnung daher allgemein bekannt ist,[28] oder es wird auf Vorgänge vergewiesen, deren Dauer sich beim Adressaten
als bekannt voraussetzen lässt. Schließlich kann - wie in den oben angeführten
Belegsätzen - zumindest einer der Grenzpunkte genannt werden.
Nach dem
Gespräch wird Wickers zwei Stunden lang schweigend durch den
Klostergarten gehen, vor der Heiligengrotte verharren und über seine Fallen nachdenken.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 82)
Der alte
militärische Imperialismus hat, nicht zuletzt ökonomisch, ausgedient. Aber es
kann lange, möglicherweise einen Weltkrieg lang dauern, bis diese
Einsicht Fuß fasst.
(Der Spiegel;
6.1.03; S. 58)
Die Grenzpunkte enthalten als bequeme Orientierungshilfe
wiederum vorwiegend Zeitnamen.
Zöllner im
polnischen Grenzgebiet beobachten bereits, dass seit Jahresanfang
deutlich mehr Getränke in Polen gekauft werden. (Der Spiegel; 13.1.03; S. 67)
Es sind aber auch metaphorische Ausdrücke aus dem Bereich
der Richtungsbestimmungen möglich, weil sich mit Hilfe eines zurückgelegten
(bzw. zurückzulegenden) Weges auch die sinnlich direkt nicht wahrnehmbare Zeit
gewissermaßen bestimmen und bildlich ausdrücken lässt, wie dies ja die
Überschrift unseres Artikels zeigt. In diesem bekannten Sprichwort fungiert der
Zeitausdruck als Prädikativ.
Von der
Wiege bis zur Bahre sind die schönsten Lebensjahre.
(H.u.A.
BEYER (1985), S. 673)
Da viele Präpositionen sowohl zeitliche als auch auch
lokale bzw. direktionale Bedeutung haben, ist der Aufbau solcher Wortgruppen,
die als lokale oder temporale (d.h. durative) Bestimmungen fungieren, praktisch
der gleiche (vgl. z.B.: von der Maas bis an die Memel).
Schließlich finden diese den lokalen Direktionalia[29] getreu nachgebildeten Konstruktionen sogar in der Fachsprache der
Wissenschaft ihre Anwendung.
Von den
gelehrten Bemühungen um deutsche Sprachgeschichte und Sprachkultur seit der
Humanistenzeit über die verschiedenen Wellen der Sprachnormung und
'Sprachreinigung' vom 17. bis 20. Jh. bis zur nationalistischen
Sprachenpolitik im 19. und 20. Jh. und zur 'nationalen' Frage heute treffen
wir immer wieder auf sprachgeschichtliche Rechtfertigungen und Leitbilder.
(P. von POLENZ (2000), S. 11)
Solche 'temporalen Direktionalia' können - trotz ihrer
Komplexität - auch attribuiert werden.
Solche
Bereiche wurden unerläßlich für die in der politischen
"Zeitgeschichte" dringend gewordenen Fragen nach den Ursachen und
Merkmalen des kontrovers diskutierten 'Sonderwegs' Deutschlands im Rahmen der
europäischen Geschichte von Frühnationalismus der Befreiungskriege über
den Bonapartismus Bismarcks und den Wilhelminismus zu nationalsozialistischer
Diktatur, Zweitem Weltkrieg und Holocaust (Ritter, in: Kocka 1989, 52 ff.). (P. von POLENZ (2000),
S. 18)
Die zeitliche Erstreckung ist in diesen Konstruktionen
durch die "Phasen" des zeitlichen Verlaufs markiert, die den
"Etappen" eines räumlichen Direktionale (Ausgangspunkt - Trasse -
Ziel) analog sind; vgl. etwa:
Sie
unternahmen weite Reisen, die sie von London über Paris nach Rom,
durch Amsterdam nach Wien oder nach Norden führten. (Der Spiegel; 9.2.02; S. 150)
In beiden Fällen wird die Reihenfolge außersprachlicher
Sachverhalte auf gleiche Weise ikonisch abgebildet. Diese konstruktionelle
Parallelität würde zwar u.E. allein nicht ausreichen, um die Zusammenfassung
verschiedener semantischer Klassen in einer Funktionsklasse zu rechtfertigen,
sie ist aber auf alle Fälle ein bemerkenswertes Charakteristikum solcher
Phrasen.
Manche Temporaladverbien aller drei Gruppen (Temporale,
Durative und Iterative) enthalten außerdem eine 'modale' Bewertungskomponente,
die die zeitliche Dimension in Bezug auf ihre Distanz, Länge oder Häufigkeit
seitens des Sprechers subjektiv einschätzt.
Bald
soll ein großes Pilgerhotel aus dem Voralpenboden gestampft werden.
(Der Spiegel; 6.1.03; S. 83)
Und seit ich
Tag für Tag als 'Naked Cowboy' auf dem Times Square in New York stehe, bin ich endlich
berühmt. (Der Spiegel; 13.1.03; S.
55)
Er hört nur,
wie plötzlich eine seiner Angestellten ungeheuer laut kreischt.
(Der Spiegel;
9.2.02; S. 101)[30]
Nur Serra
schweigt lange, bevor er sagt: "Zeigt ihr uns alles, was ihr
habt?"
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 80)
Den Gangster
verwirrt das nur kurz. (Der
Spiegel; 9.2.02; S. 101)
Heute kommen
Sinnsucher und Rezessionskranke, und sie halten oft über Monate
Kontakt. (Der Spiegel; 6.1.03; S. 82)
Selten
habe ich einen zynischeren Beitrag eines Histiorikers zum Thema Krieg und
Kriegsopfer gelesen. (Der Spiegel;
6.1.03; S. 15)
Mitunter sind die Übergänge zwischen Durativ und Iterativ
fließend.
In seinen
Büros, eines im jordanischen Amman, ein weiteres offenbar direkt in Bagdad,
hielt es den gebürtigen Iraker und amerikanischen Staatabürger nur selten.
Ständig bombardierten ihn seine
Auftraggeber mit neuen Wünschen. (Der Spiegel; 13.1.03; S. 44)[31]
Das Adjektiv/Adverb ständig bedeutet in unserem
Belegsatz eine fortwährende Wiederholung des 'Bombardierens', ist also
durativ und iterativ zugleich. In anderen Kontexten kann es entweder als
Durativ (vgl. z.B. "Ständige Vertretung") oder als Iterativ ("auf
mein ständiges Bitten") verwendet werden.
Die Iterative sind vielfach Bezeichnungen für rhythmisch
wiederkehrende Intervalle.[32]
So sind täglich
Tausende psychisch Verwirrter in der Stadt unterwegs - meist ohne Betreuung und
Hilfe, in der Regel ignoriert, gelegentlich offen angefeindet von den
Normalbürgern.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 52)
Die
Abgeordnete will den Betrag auf 140 Euro aufrunden und ihn monatlich spenden. (Stern;
9.1.03; S. 27)
Um jährlich
bis zu einer Milliarde Euro beim Personal zu sparen, hatte die Stadtregierung
den Beamten und Angestellten einen
Solidarpakt angeboten. (Der
Spiegel; 13.1.03; S. 26)
Die entsprechenden adverbialen Akkusative (jed(en/e/es)
/ alle + Substantiv) erscheinen fast synonym.
Da steht man jeden
Tag im Laden und macht und arbeitet, und dann kommen welche rein, nichts am
Hut mit Arbeit, halten die Knarre hin und denken, sie könnten damit
durchkommen.
(Der Spiegel;
9.2.02; S. 101)
Etwa 800 000
Deutsche werden jedes Jahr Opfer regelrechter Schikanekampagnen, so
steht es im ersten Mobbing-Report der Bundesregierung, und die Übeltäter sind
meistens die Vorgesetzten: ...
(Stern; 9.1.03; S. 117)
Bevor das neue
Gesetz in Kraft trat, wechselte der Versichertenbestand bei den
Edel-Assekuranzfirmen alle sieben Jahre. (Der Spiegel; 13.1.03; S. 77 f.)
Hingegen enthalten die Konstruktionen mit der Präposition
für u.E. den "Beigeschmack von zwanghafter Monotonie".
Und seit
ich Tag für Tag als 'Naked Cowboy' ... (Vgl. oben: Der Spiegel; 13.1.03;
S. 55)
Die Schulden
fast jeden Staates wachsen Jahr für Jahr
exponentiell an, weil alle Kredite nach dem Zinseszinsmechanismus
funktionieren. (Der Spiegel;
6.1.03; S. 10)
Der Vorgang wiederholt sich (un)regelmäßig innerhalb
einer (nicht) genau bestimmten Zeitspanne.
... und sie
halten oft über Monate Kontakt. (Vgl. oben: Der Spiegel; 6.1.03; S. 82)
Zweimal im
Jahr läuft ein Polizeiboot die Insel an, aber nur bei ruhiger See kann es
festmachen. (Stern; 9.1.03; S.34)
Die Wiederholung kann sogar zufällig[33] und ohne einen näher bestimmten Zeitrahmen erfolgen.
Und auch keine
Grünen, die sind manchmal noch päpstlicher als der Papst.
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 14)
Sehen Sie es
selber als ein Problem an, gelegentlich
unbeherrscht zu sein?
(Der Spiegel;
13.1.03; S. 41)[34]
Nationale
Aufmerksamkeit erregte sie, nachdem böse Zungen behauptet hatten, sie hätte in
einer gut besuchten Bar ihre Brüste entblößt - ein Vorfall, den die flotte Frau
mal zugegeben, mal dementiert haben soll. (Der Spiegel; 9.2.02; S. 212)
3. Abschließende Bemerkung
Die Zeitbestimmungen spielen natürlich bei der
Gestaltung der Texte in den Textsorten der Sprache der Zeitung, der Zeitschrift
aber auch der Fachsprache der Wissenschaft (vor allem der historischen Fächer)
eine kaum zu überschätzende Rolle. Wir haben daher versucht, die Vielfalt der
Ausdrucksmöglichkeiten gerade an Hand konkreter Belegsätze aus solchen Texten
zu demonstrieren. Dabei stellte sich heraus, dass die Ausdrucksmittel
einerseits für das genaue Verständnis vielfach auf das außersprachliche
"Weltwissen" bezüglich "Zeitpunkt/Zeitraum"
angewiesen sind, andererseits aber auch "behelfsmäßig" auf den
Vorstellungsbereich "Weg" des Direktionale zurückgreifen. Dies wurde
u.W. bis jetzt in der Fachliteratur so deutlich nicht gesehen.
Belegliteratur
BEYER, Horst und Annelies (1985): Sprichwörterlexikon.
Sprichwörter und Ausdrücke aus deutschen Sammlungen vom 16. Jahrhundert bis zur
Gegenwart. 2., unveränd. Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut.
von POLENZ, Peter (2000): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis
zur Gegenwart. Bd. 1; Einführung, Grundbegriffe: 14. bis 16. Jahrhundert. - 2.,
überarb. und erg. Aufl. -
ISBN 3-11-016478-7
Der Spiegel; Nr. 7 / 9. 2. 2002
Der Spiegel; Nr. 2 / 6. 1. 2003
Der Spiegel; Nr. 3 / 13. 1. 2003
Stern; Nr. 3; 9. 1. 2003
Fachliteratur
DUDEN, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. 6., neu
bearb. Aufl.; bearb. von Peter Eisenberg, Hermann Gelhaus, Helmut Henne, Horst
Sitta und Hans Wellmann. Dudenverlag Mannheim / Leipzig / Wien / Zürich 1998
ISBN 3-411-04046-7
ENGEL, Ulrich (1970): Regeln zur Wortstellung. In:
Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache 5; hrsg. von U.Engel;
Mannheim, S. 7-148.
ENGEL, Ulrich (1994): Syntax der deutschen
Gegenwartssprache. 3., völlig neu bearb. Aufl. - Berlin: Erich Schmidt Verl.
(Grundlagen der Germanistik: 22)ISBN 3-503-03094-8
ENGEL, Ulrich (1996): Deutsche Grammatik. 3., korrigierte
Aufl.; Heidelberg: Groos.ISBN387276-752-6
EROMS, Hans-Werner (2000): Syntax der deutschen Sprache.
- Berlin / New York: de Gruyter.ISBN 3-11-015666-0
FLÄMIG, Walter (1972): Skizze der deutschen Grammatik.
Unter Mitarbeit von W.Neuman und F.Jüttner verfaßt von W.Flämig, B.Haftka,
W.D.Hartung, K.E.Heidolph, D.Lehmann und J.Pheby. Leitung W.Flämig. Volk und
Wissen Volkseigener Verlag Berlin.
FLÄMIG, Walter (1991): Grammatik des Deutschen.
Einführung in Struktur- und Wirkungszusammenhänge. Erarbeitet auf der
theoretischen Grundlage der "Grundzüge einer deutschen Grammatik".
Berlin: Akad. Verl. ISBN 3-05-000686-2
FOLSOM, Marvin H. (1970): Zwei Arten von erweiterbaren
Richtungsergänzungen. In: Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache
4; hrsg. von U.Engel;
Gesamt-ISBN 3-05-000626-9
HEIDOLPH, Karl Erich; FLÄMIG, Walter; MOTSCH, Wolfgang
(1981): Grundzüge einer deutschen Grammatik. Akademie - Verlag: Berlin.
HELBIG, Gerhard; BUSCHA, Joachim (1987): Deutsche
Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. 10., unveränd. Aufl. -
Leipzig: Verlag Enzyklopädie. ISBN 3-324-00118-8
JUNG, Walter (1980): Grammatik der deutschen Sprache.
Neuausgabe bearb. von Günter Starke. 6., neubearb. Aufl.; VEB Bibliographisches
Institut Leipzig.
KLAPPENBACH, Ruth; STEINITZ, Wolfgang (1978): Wörterbuch
der deutschen Gegenwartssprache. 2. Bd., 6. Aufl.; 5. Bd., 3. Aufl.; Akademie-Verlag
Berlin. (WDG)
Mannheim, S. 3144.
PFEIFER, Wolfgang (1989): Etymologisches Wörterbuch des
Deutschen. Erarbeitet von einem Autorenkollektiv des Zentralinstituts für
Sprachwissenschaft unter der Leitung von W.Pfeifer. 3 Bde., Akademie-Verlag
Berlin.
ZIFONUN, Gisela; HOFFMANN, Ludger; STRECKER, Bruno
(1997): Grammatik der deutschen Sprache. Bd.
Bibliografický údaj: ZEMAN, J.: Von der Wiege bis zur Bahre. Einige Bemerkungen zu
temporalen Adverbialia .
Brünner Beiträge zur Germanistik und Nordistik 8, 2003, s. 15-30.
[1]Vgl. JUNG/STARKE (1980), S. 91 ff.
[2]Vgl. z.B. HELBIG/BUSCHA (1987), S. 550; ENGEL (1994), S. 161 ff. und S. 174
ff.
[3]Vgl. ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 1101 f. Von diesen Verben lassen
viele alternativ auch andere als temporale Bestimmungen zu. Es handelt sich
dabei um sog. Existenz- oder auch Ereignisverben. Vgl. S. 1566 f. Ist das
Subjekt rhematisch, so ist die alternative Ergänzung entbehrlich; vgl. dazu vor
allem HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S. 425 ff.
[4]Vgl. EROMS (2000), S. 204; ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 1104 f.
[5]Vgl. DUDEN-Grammatik (1998), S. 653. Bei dieser "inhaltlichen
Interpretation der adverbial gebrauchten Satzglieder" wird hier das
Kriterium der Valenzabhängigkeit zunächst außer Acht gelassen. Die angeführten
Beispielsätze enthalten nur Angaben.
[6]Vgl. HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S. 404-427.
[7]Vgl. FLÄMIG (1991), S. 170-174.
[8]Vgl. ENGEL (1994), S. 161 (Situativergänzung) und S. 174 f. (situative
Angaben).
[9]Vgl. ENGEL (1994), S. 162 (Expansivergänzung).
[10]Vgl. ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 1140 ff. sowie S.1535 ff. Vgl.
außerdem ENGEL (1988/1996), S. 220 ff.: "situierende Angaben". Er
teilt die innerhalb dieser Großklasse vorkommenden Temporalangaben ein in:
Angaben der Jahreszahl, Datumsangaben, relative Zeitangaben, Angaben von
Zeiträumen und Angaben der Uhrzeit.
[11]Vgl. ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 1508 f.
[12]Vgl. ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 1101 ff.
[13]Zu diesem "reinen Temporaladverb" vgl. HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH
(1981), S. 407.
[14]Vgl. HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S. 414.
[15]Zur Wortartbestimmung vgl. EROMS (2000), S. 31.; ENGEL (1994), S. 67:
"Als Adjektive werden alle Wörter definiert, die jederzeit in der Umgebung
Det_Nom auftreten können." Zum Adverb vgl. S. 77. Vgl. außerdem DUDEN (1998); S. 258 ff.;
ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 46 ff. und S. 54 ff.
[16]Vgl. ENGEL (1996), S. 594 f. (Graduativergänzungen).
[17]Vgl. ENGEL (1996), S. 760 ff.
[18]Dass es sich in den beiden letzten Belegen mindestens um zwei Satzglieder
handelt, zeigt die Verschiebeprobe. Trotzdem ist hier eine gewisse Tendenz zur
positionellen und wohl auch inhaltlichen Kompaktheit solcher Konstrukte u.E.
durchaus spürbar.
[19]Vgl. dazu FLÄMIG (1991), S. 274 ff.; ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S.
1145 ff. Die adverbialen Temporalsätze bleiben in unserem Artikel außer
Betracht.
[20]Dies ist im Prinzip die Auffassung von HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S.
405 f.
[21]Vgl. HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S. 410; FLÄMIG (1991), S. 174.
[22]Vgl. PFEIFER et al. (1989), z.B. Wörter wie Jahr, S. 756: ie. Wurzel *ei- = gehen
(lat. ire), Gang, Lauf der Sonne; Woche, S. 1986: ie.
Wurzel *ueig, *ueik- = biegen, winden; S. 1774: Tag lässt
sich zu ie. Wurzel *dheguh- = brennen stellen usw.
[23]Vgl. zu diesem Begriff HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S. 405;
ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 1142.
[24]Vgl. dazu ZIFONUN/ HOFFMANN/STRECKER (1997), S. 806. In
HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S. 414 ff., werden sie unter "Zeitdauerangaben"
diskutiert.
[25]Es handelt sich um ein Bibelzitat (Matthäus 28, 20), das im Spiegel an der
zitierten Stelle angeführt ist.
[26]Zu der Präposition während vgl. HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S.
414. Die Phrase während + Substantivgruppe wird unter Anlehnung an
M.Brandt et al., "Tysk Grammatik för universitets bruk", Lund 1973,
S. 94, nicht unter die Durative eingereiht, weil hier die Frage wie lange?
nicht möglich ist.
[27]Vgl. auch den oben zitierten Beleg für früher (Stern; 9.1.03; S. 32)
Das Gleiche gilt bekanntlich auch für Adverbien wie jetzt, heute, den
Präpositionalausdruck in Zukunft u. dgl.
[28]In HEIDOLPH/FLÄMIG/MOTSCH (1981), S. 409, werden diese Wörter als
"zeitliche Maßsubstantive" bezeichnet. Vgl. auch FLÄMIG (1991), S.
173: "Maßeinheiten des Zeitsystems".
[29]Zu 'lokalen' Richtungsbestimmungen mit ihrem im Prinzip dreigliedrigen
Aufbau (Er ging aus der Diele durch die Küche ins Wohnzimmer.)
vgl. FOLSOM (1970), S. 37; ENGEL (1970), S. 57; FLÄMIG u. Koll. (1972), S. 104.
[30]Vgl. ENGEL (1970), S. 49, bezeichnet die Adverbien bald, endlich,
plötzlich als Valuativa, weil sie eine Bewertung des objektiven
Sachverhalts durch den Sprecher enthalten. U.Hoberg rechnet plötzlich
und allmählich zu Qualitativsupplementen. Vgl. ZIFONUN/HOFFMANN/STRECKER
(1997), S. 1531.
[31]Vgl. WDG, 5. Bd., S. 3547. Demnach hat ständig sowohl die Bedeutung fortwährend,
ununterbrochen, andauernd als auch häufig, immer wieder.
[32]Vgl. FLÄMIG (1991), S. 174.
[33]Vgl. auch oben: ... die leichte Brise, die hin und wieder vom
Pazifik herüberweht . (Stern; 9.1.03; S. 38)
[34]Zur Bedeutung von gelegentlich (= dann und wann) vgl. WDG, 2.
Bd., S. 1516.